Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2011: Studium und Lehre

Deutsch lernen mal anders

Das Pfingstcamp 2011 - Die Stadt der Kinder

Agenten, Richter und fliegende Finger trafen in den Pfingstferien am Anlagesee in Tübingen aufeinander: Rund 70 Kinder gründeten für zwei Wochen gemeinsam mit ihren überwiegend studentischen Betreuern die 'Stadt der Kinder'. Diese 'Stadt', ein Camp zur Sprachförderung für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache, wurde von der Stadt Tübingen unter der Leitung der Stabstelle Gleichstellung und Integration in Kooperation mit der Universität Tübingen, dem Landestheater Württemberg-Hohenzollern Tübingen Reutlingen (LTT) und internationalen Vereinen durchgeführt. Gefördert von der Robert Bosch Stiftung wurde das Camp mit der Aufführung eines Theaterstücks abgeschlossen. Prominenten Besuch erhielt die Kinder-Stadt von der neuen baden-württembergischen Ministerin für Integration Bilkay Öney und Oberbürgermeister Boris Palmer. Sie ließen sich von den Kindern vom Theaterspielen, Hüttenbauen und der Sprachförderung berichten. Öney hob die Rolle des Spracherwerbs bei der Integration hervor. „Die positive Identifikation mit der deutschen Sprache ist entscheidend für die Bildungschancen von Kindern aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte“, sagt auch Susanne Omran, Integrationsbeauftragte der Stadt.

Insgesamt nahmen Kinder aus 14 Herkunftsländern teil, die Universität beteiligte sich auf besondere Weise: 20 Studierende des Deutschen Seminars betreuten die Kinder in sechs Gruppen. Diese waren jeweils einer Szene des abschließenden Theaterstücks zugeordnet und gestalteten dieses selbst. Dafür durften sich die Kinder passende Gruppennamen aussuchen, wie „Zauberer“, „Richter“ oder „Haie“. Für die Studierenden gingen den zwei Wochen des Camps monatelange Vorbereitungen voraus: Fundierte linguistische Kenntnisse, die sowohl sprachtheoretische wie ontogenetische Aspekte der Sprache, Kenntnisse über Zweitspracherwerb wie sprachdiagnostische Fähigkeiten beinhalten, seien grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Sprachförderung, sagt Professor Dr. Doreen Bryant, linguistische Verantwortliche des Projektes. In verschiedenen Seminaren wurden die Studierenden auf die Konzipierung und Durchführung von Sprachfördereinheiten im Kontext von Theaterspiel vorbereitet. Neben linguistischen, sprachdidaktischen und theaterpädagogischen Inhalten wurden auch sozialpädagogische Inhalte vermittelt, da die Studierenden für den gesamten Tagesablauf der Kinder verantwortlich waren. Die Studierenden waren hierbei eingebunden in die Entwicklung und Konkretisierung des Tübinger dramapädagogischen Sprachförderkonzepts. Der Aufwand hat sich in jedem Fall auch für die Studierenden gelohnt. „Es macht Spaß zu sehen, dass es die Kinder weiterbringt“, findet Marie Kaiser, Studentin der Linguistik und Psychologie. Michael Spaun, der Deutsch und Politikwissenschaft studiert, sieht eine Veränderung auch bei sich selbst: „Am Anfang hatte ich etwas Angst, was auf uns zukommt. Und dann war ich erstaunt, wie motiviert die Kinder sind.“


Das Tübinger Konzept setzt bewusst auf das ambitionierte Ziel der Vermittlung von 'Bildungssprache', die laut Bryant Schlüssel zum Bildungserfolg in Deutschland sei. „Theater und Theaterspielen eignet sich hierfür besonders“, sagt auch Volker Schubert, verantwortlicher Theaterpädagoge des LTT. Allen Beteiligten und besonders der pädagogischen Leitung des Camps, Birgit Walker und Hans Ignatz Dieter, war es wichtig, trotz hoher Ziele die Kinder mit ihren Bedürfnissen nicht aus den Augen zu verlieren.


Im Anschluss an das Camp wird eine umfassende Evaluation durch die Linguistik und die Erziehungswissenschaft erfolgen, die die Wirksamkeit des Camps hinsichtlich der Sprachkenntnisse und der Einstellung zu Deutsch untersucht.


Die teilnehmenden Kinder und deren Eltern sind sich einig, noch einmal an einem solchen Camp teilnehmen zu wollen: "Du, nächstes Jahr, darf ich da wieder in Deiner Gruppe bei den Haien sein?", fragt ein Kind nach der Theateraufführung. Stellvertretend überreichten zwei türkischstämmige Mütter den Beteiligten nach der Theateraufführung eine Rose mit den Worten "Danke, dass Sie uns Ihre Hand gereicht haben."


Marco Pettering