26.01.2005
Hier
eher Nudeln, dort eher Reis
Dazwischen entfaltet sich die ganze
schwäbisch-brasilianische Vielfalt
TÜBINGEN. Auch so kulinarisch kann das Produkt einer Wissenschafts-Kooperation
aussehen: Die Freundinnen Lissi Bender Azambuja aus Brasilien
und Sabine Heinle aus Tübingen tauschten sich einfach
gern über das Essen aus. Daraus entstand ein schwäbisch-brasilianisches
Kochbuch.
Kochkunst fördert
deutsch-brasilianische Wissenschaftsbeziehung: die Autorinnen Lissi Bender
Azambuja (links) und Sabine Heinle.Privatbild |
Ochsenschwanz klingt schon sehr nach deutscher Küche. Ochsenschwanz mit Maniok
dagegen zeigt, dass da eine Kreuzung stattgefunden hat mit einem regionalen
Produkt aus Südamerika. Und wenn in Südbrasilien zu Silvester Linsensuppe auf
den Tisch kommt, dann ahnt man schon die Einwanderergeschichte, die mit unübersetzbarer
„Kässchmier“ (einem Aufstrich aus selbstgemachtem
Frischkäse) einhergeht. Der wiederum erinnert ein wenig an den schwäbischen „Luckeleskäs“, mit dem nun die Brasilianer unter dem Titel „Queijo Luckeles“ bekannt gemacht
werden.
Die Biologin Sabine Heinle, 53, ist Koordinatorin des
Brasilien-Zentrums an der Tübinger Universität, das in der Wilhelmstraße 113
angesiedelt ist. Durch das Aufforstungs-Projekt von Araukarien-Wäldern,
das die Tübinger Uni in Südbrasilien betreibt, kam sie selbst inKontakt mit der Partner-Universität von Santa Cruz im
brasilianischen Staat Rio Grande do Sul.
Lissi Bender, 52, ist aus Santa Cruz, und wie ihr Name vermuten lässt, stammt
sie aus der starken und selbstbewussten deutschen Kolonie, in der die Kultur
und Sprache der einstigen Auswanderer bis heute gepflegt wird. Vor 180 Jahren
wurde die Region von deutschen Immigranten besiedelt und in Ackerland
umgewandelt. In Santa Cruz gibt es außer der Universität eine Evangelische
Kirche, ein Oktoberfest und ein Einwanderungsdenkmal, und am Stadteingang wird
man von einem ziemlich bayerisch aussehenden Skulpturen-Paar begrüßt.
Bender, studierte Germanistin, und leitet an der Uni von Santa Cruz das
Sprachenzentrum. Zugleich aber promoviert sie nun an der Uni Tübingen über die
sprachliche Entwicklung des Deutschen in Südbrasilien. Deshalb wohnte sie im
vergangenen Jahr eine Zeitlang bei ihrer hiesigen Freundin Sabine Heinle.
Das Essen und die Essgewohnheiten der beiden Regionen Schwaben und Südbrasilien
wurden bald ein beliebtes Vergleichsthema zwischen den beiden Frauen. „Wir sind
von den vorhandenen Materialien ausgegangen“, sagt Heinle.
Hier sind Mehlprodukte, also die Nudeln, die Spätzle, die Maultaschen, dort
mehr der Reis ein Hauptnahrungsmittel.
So entstand aus der kulinarischen Zwiesprache das zweisprachige Kochbuch
„Rezepte aus dem Süden/Receitas do Sul“, zugleich eine durch den Magen gehende Landeskunde:
Der Spießbraten Churrasco über offenem Feuer kommt
eben aus der Viehzüchter- und Gaúcho-Tradition
Brasiliens; die schwarzen Bohnen (Feijoada) mit
weißem Reis sind das brasilianische Nationalgericht überhaupt. Dagegen erfährt
man im Schwaben-Teil, wie der Gaisburger Marsch zu seinem militärischen Titel
kam, und was ein Vesper ist, zu dem man Wurstsalat (Salada
de lingüiça à suábia) oder
Zwiebelkuchen (Cuca de cebolas)
auftischt.
Der heiße Tipp aus dem Kochbuch sind übrigens so genannte Käsebrötchen, Pão de queijo, kleine Kugeln aus
Maniokstärke und Minas-Käse, einer Art Mozzarella. Bei Festen, sagt Heinle,
gehen die immer reißend weg.Ulrike Pfeil
INFOLissi Bender Azambuja
und Sabine Heinle, „Receitas
do Sul /Rezepte aus dem Süden: Brasilien und
Deutschland“, Santa Cruz do Sul, 2004; gedruckt mit
Unterstützung der Uni Tübingen.
Quelle: http://www.tagblatt.de/?artikel_id=539759
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