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22.06.2015

Entscheidungsprozesse im Hirn: vom Sinnesreiz zur Entscheidung

Tübinger Neurowissenschaftler entschlüsseln das Zusammenspiel von Hirnregionen bei Handlungsentscheidungen

Entscheidungen fallen uns oft schwer und dauern lange. Doch wenn wir von den kleinen Entscheidungen des Alltags sprechen, wissen wir meist ohne Nachdenken, was zu tun ist: Klingelt das Telefon, nehmen wir den Anruf spontan an. Stört uns hingegen der Anruf in einem anderen Gespräch, oder klingelt es während eines Vortrags oder Konzerts, drücken wir schleunigst den anderen Knopf. Solche kontextabhängigen Entscheidungen, die sehr schnell getroffen werden müssen, sind eine wesentliche Grundlage intelligenten Verhaltens.

Wie verschiedene Hirnregionen während solch flexibler Entscheidungen zusammenarbeiten, konnte der Tübinger Neurowissenschaftler Markus Siegel (Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften – CIN / MEG Zentrum) gemeinsam mit Kollegen vom MIT und der Universität Princeton (USA) zeigen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht. Die neue Studie gibt wichtige Hinweise darauf, wie das gesunde Gehirn Entscheidungen hervorbringt. Diese Erkenntnisse helfen, auch krankhafte Veränderungen des Denkens und der Wahrnehmung bei neuropsychiatrischen Erkrankungen, wie zum Beispiel einer Schizophrenie, besser zu verstehen und langfristig Therapien zu entwickeln.

Die Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass Entscheidungen nicht in einer einzigen Region gefällt werden, sondern gleichzeitig in einem dichten Netzwerk sogenannter Assoziationsbereiche des Stirn- und Scheitellappens entstehen. Von dort werden die neuronalen Entscheidungssignale sowohl an motorische Regionen zur Steuerung der Bewegungshandlung weitergeleitet, als auch an sensorischen Regionen, wo die Sinnesreize zuerst verarbeitet werden, die der Entscheidung zu Grunde liegen. Die getroffene Entscheidung wird also auch an die Hirnregionen zurückgemeldet, von denen die sensorische Information stammt. Darüber hinaus konnten Siegel und seine Kollegen zeigen, dass in diesem Netzwerk auch der Kontext verarbeitet wird. Während der Entscheidung werden Kontextsignale an verschiedene andere motorische und sensorische Hirnregionen gesendet.

Selbst einfachen Handlungsentscheidungen liegt also aus ein komplexes Wechselspiel zwischen weit verteilten Hirnregionen zu Grunde. Das Wegdrücken oder Annehmen eines Anrufs, je nach Situation, kommt uns von außen wie die natürlichste Handlung überhaupt vor. Es scheint kaum eine Entscheidung zu erfordern, und bestimmt kein tiefes Nachdenken oder Zaudern. Doch in unserem Gehirn leistet ein Netzwerk vieler weit verteilter Regionen in Sekundenbruchteilen Schwerstarbeit. Sie berücksichtigen die Art des Reizes, gleichen ihn mit dem Kontext ab, tauschen Informationen aus und leiten schließlich die passende Reaktion ein, die sich für uns ganz natürlich anfühlt.


Publikation:

Markus Siegel, Timothy J. Buschman, Earl K. Miller: Cortical information flow during flexible sensorimotor decisions. Science (2015), 19. Juni 2015.

Pressekontakt CIN:

Dr. Paul Töbelmann
Universität Tübingen
Werner-Reichardt-Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN)
Wissenschaftskommunikation
Otfried-Müller-Str. 25 ∙ 72076 Tübingen
Tel.: +49 7071 29-89108
<link>paul.toebelmann@cin.uni-tuebingen.de

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