Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2012: Schwerpunkt Internationalisierung

Internationalisierung der Hochschullandschaft im Wandel

Bologna, Globalisierung und Vernetzung

Die Arbeit der International Offices an deutschen Hochschulen hat in den vergangenen 20 Jahren einen fundamentalen Wandel durchlaufen – und wird sich auch künftig beständig weiter entwickeln. Neue Aufgabenfelder haben sich ausgebildet, während die bisherigen kaum weniger geworden sind.

Europäischer Bildungsraum und globaler Wettbewerb

Auslöser für den Wandel sind zum einen die Umwälzungen im europäischen Hochschulraum im Zeichen des Bologna-Prozesses sowie die Etablierung und Ausweitung des europäischen Mobilitätsprogramms ERASMUS. Zum anderen ist dieser Wandel aber vor allem auch auf die Globalisierung des Bildungsmarktes und damit einhergehend den verschärften weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe zurückzuführen. Im internationalen Bildungsmarkt hat das zu einem enormen Professionalisierungsschub geführt. Merklich spürbar ist das zum Beispiel bei den großen Bildungskonferenzen - wie der Tagung der Association of International Educators (NAFSA, 8400 Teilnehmer aus 95 Ländern) in den USA oder der Konferenz der European Association for International Education (EAIE, 4500 Teilnehmer aus 80 Ländern). Nicht nur an den ständig steigenden Teilnehmerzahlen ist dies abzulesen, sondern auch daran, dass zunehmend neue Akteure und Themenfelder eine Rolle spielen: die scheinbar alles bestimmende Diskussion um Universitätsrankings, die zunehmende Formalisierung und Standardisierung der Beziehungen, die Einführung von Kennzahlensystemen zur Messung des Internationalisierungsgrades von Hochschulen. All dies gehört zum wachsenden Arsenal der Instrumente, mit deren Hilfe die Universitäten ihre Internationalisierungsmaßnahmen planvoll im Rahmen von „Internationalisierungsstrategien“ ausbauen. Im Arbeitsalltag der International Offices haben hochspezialisierte Softwaresysteme Einzug gehalten, ohne die eine effiziente Bearbeitung der wachsenden Austauschströme nicht mehr denkbar ist. An der Universität Tübingen beispielsweise werden inzwischen sämtliche Bewerbungen und Zulassungen internationaler Studienbewerber über das das Movein-System verwaltet.

Bei den internationalen Wissenschaftskooperationen stehen momentan „Strategische Partnerschaften" im Zentrum der Planungen. Gegenüber herkömmlichen bilateralen Forschungspartnerschaften haben sich zunehmend strategische Netzwerke etabliert, die insbesondere auf eine Förderung der Mobilität im Postgraduiertenbereich abzielen und diese durch eingeworbene Drittmittel auch finanziell unterstützen sollen. Diese Kooperationen haben innerhalb des europäischen Bildungsraumes eine konstitutionelle Komponente durch die Finanzierungsmöglichkeiten über den jeweils aktuellen Forschungsrahmenplan der Europäischen Gemeinschaft. Außereuropäische Forschungskooperationen hängen dagegen hier in der Regel noch etwas hinterher. In den letzten Jahren traten neue Modelle hervor, in denen Partnereinrichtungen mit ähnlichem Forschungsprofil sich zusammenschließen. Ein Beispiel hierfür ist das Matariki Netzwerk, das die Universität Tübingen mit gegründet hat. Ein weiteres Beispiel: Das BWS plus Stipendienprogramm der Baden-Württemberg Stiftung ermöglicht Tübinger Nachwuchswissenschaftlern Forschungsaufenthalte bei ausgesuchten Partnern. Umgekehrt können jungen Postgraduierten strategischer Partneruniversitäten Mittel für einen Aufenthalt an der Universität Tübingen bereit gestellt werden.

Völlig neue Herausforderungen bringt im Bereich des Studierendenaustauschs das in Kürze anstehende neue Mobilitätsprogramm der Europäischen Union (EU), welches für den Zeitraum 2014 bis 2020 geplant ist und den Namen „ERASMUS für alle“ tragen soll. Die Bologna-Reformen schienen anfangs die internationale Mobilität eher zu behindern als zu befördern - die bis dahin stetig wachsenden Austauschzahlen gingen zunächst auch in Tübingen merklich zurück. Diese Tendenz ist mittlerweile gestoppt. Internationale Studiengänge, innovative Studiengangsstrukturen und Flexibilitätsfenster haben neue Perspektiven eröffnet. Auch im Bereich der Studierendenmobilität zeichnet sich damit eine beachtenswerte Akzentverschiebung ab: weg von der weitgehend ungesteuerten Individualmobilität, hin zu stärker strukturierten Programmen. War über viele Jahre die Zahl der ausgetauschten Studierenden im grundständigen Studium das zentrale Momentum für die Internationalität einer Universität, so sind in den letzten Jahren strukturierte internationale Postgraduierten- und Doktorandenprogramme immer stärker in den Fokus der Internationalisierungsmaßnahmen gerückt. Programme des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) wie „International Promovieren in Deutschland (IPID)“ und Konzepte wie internationale Promotionen / Doppelpromotionen (co-tutelle) und joint degrees spielen hierbei eine wichtige Rolle.

Was bringt die Zukunft an weiteren Veränderungen? Intensiv diskutiert werden aktuell Fragen wie: welche Region übernimmt in Zukunft die Führungsrolle im Bereich International Education? Welche Rolle spielen Europa, die USA und Asien, welche Rolle spielen Lateinamerika und Afrika? Wie exklusiv oder inklusiv wird die schöne neue Welt des globalen Bildungsmarktes sein? Wie kann der Zugang breiter Schichten zum globalen Bildungsangebot gewährleistet werden? Welche Rolle werden virtuelle Bildungsangebote gegenüber den „realen“ Universitätsstandorten in aller Welt spielen?

Wo steht die Universität Tübingen?

Mit dem Erfolg in der Exzellenzinitiative hat die Universität Tübingen im globalen Wettbewerb eine hervorragende Startposition in die weit offene Zukunft hinein errungen. Ein guter Moment auch um innezuhalten und das bisher Erreichte Revue passieren zu lassen. Und die Bilanz der Universität Tübingen kann sich sehen lassen. Im internationalen Austausch kann die Universität auf dem soliden Fundament einer langen Tradition aufbauen. Man muss nicht gerade bis ins 15. Jahrhundert zurückgehen, wie der Slogan „International seit 1477“, mit dem die Universität für sich wirbt. Doch der Austausch von Studierenden mit herausragenden Partneruniversitäten in praktisch allen Winkeln dieser Welt hat in Tübingen eine Tradition, die bereits in den 1960er-Jahren ihren Anfang hatte. So profitierten Tübinger Studierende schon lange vor der Einführung des ERASMUS Mobilitätsprogramms von den bilateralen Vereinbarungen mit Hochschulen innerhalb und außerhalb Europas, im Besonderen mit Universitäten in Nordamerika. Aufs Jahr gerechnet summiert sich der Wert dieser studiengeldfreien Austauschplätze auf einen Gesamtbetrag von mehreren Millionen Euro. Zwei Austauschprogramme des Landes Baden-Württemberg mit Universitätssystemen in den Vereinigten Staaten - mit den staatlichen Universitäten in Oregon und mit den im CSU-System organisierten Universitäten Kaliforniens - sind mit ihren Koordinationsbüros in Tübingen zuhause. Das Tufts-in-Tübingen-Programm feiert 2015 das 50. Jahr seines Bestehens. Und aus den besonderen Beziehungen vieler Fachbereiche zur Universität Aix-Marseille haben sich vielfältige und modellhafte gemeinsame Studiengänge entwickelt – wiederum gilt: lange, bevor joint degrees vom DAAD propagiert wurden. Unter den langjährigen Kooperationspartnern der Universität befinden sich alleine 81 der „World’s Top 200“ Universitäten nach dem THE Ranking 2011/2012, darunter 45 europäische und 36 außereuropäische Institutionen. Vertretungen im Ausland, etwa in Japan, China, Korea, Gabun, Ägypten oder Brasilien, tragen maßgeblich mit dazu bei, Tübingen als Ort hervorragender Forschung und Wissensvermittlung über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt zu machen. Bundesweit muss man sicher lange suchen, bis man Universitäten findet, die in Bezug auf das Angebot an Austauschmöglichkeiten ähnlich gut aufgestellt sind wie die Universität Tübingen.


Frühzeitig hat sich die Universität Tübingen auch um die planvolle „strategische“ Weiterentwicklung dieser Austauschbeziehungen und Kooperationen bemüht. Ein erster Ansatz war der 2001 vom Universitätsrat verabschiedete „Maßnahmenkatalog Internationalisierung“, der 2009 weiterentwickelt wurde zu einem Konzept strategischer Partnerschaften als Basis der weiteren Internationalisierung.

Das Dezernat Internationale Angelegenheiten – zentrale Serviceeinrichtung für die Universität

Mit den neuen Aufgaben auf dem Feld der Internationalisierung hat sich auch konkret die Arbeit des Dezernats für Internationale Angelegenheiten der Universität Tübingen verändert und erweitert. Das Dezernat versteht sich als zentrale Serviceeinrichtung, als Impulsgeber und Informationspool für alle Arbeitsfelder der Internationalisierung, die sich alltäglich in der Zusammenarbeit mit den Fakultäten und anderen Dezernaten, aber auch mit externen Akteuren wie beispielsweise dem Studentenwerk auftun. Zu den Schwerpunkten gehören:

Eine ganze Reihe an strukturellen Änderungen in den letzten Jahren hat zur Stärkung dieser zentralen Servicefunktionen beigetragen: Regelmäßige Arbeitstreffen des Dezernats und des Prorektors für Internationales mit den Beauftragten der Fakultäten für Internationalisierungsfragen wurden institutionalisiert. Die Bereiche Austauschprogramme und Zulassung/Beratung internationaler Vollzeitstudierender und Doktoranden wurden neu strukturiert und unter einem Dach zusammengezogen. Das Welcome Center iSiS wurde gegründet, um an der Universität Tübingen eine neue Willkommenskultur zu schaffen. Die Abteilungen Deutsch als Fremdsprache und interkulturelle Programme und die Abteilung Fachsprachenzentrum konnten gemeinsam das neu renovierte „Haus der Sprachen“ beziehen und ihr Kursangebot ausbauen. Ebenso sind die Programmbüros amerikanischer Partneruniversitäten in einem eigenen Haus zusammengefasst. Im Rahmen der DAAD-Programmlinien PROFIS und PROFIN zur Förderung der Internationalisierung und der Integration internationaler Studierender konnte die Universität Tübingen in den Jahren 2005 bis 2011 fünf Projekte einwerben und durchführen, die dazu beigetragen haben, die Serviceleistungen zur Betreuung und Integration der internationalen Studierenden bedarfsgerecht auszubauen und gleichzeitig die Zusammenarbeit auf diesem Feld innerhalb der Zentralen Verwaltung, mit Studierendengruppen und mit den Fakultäten und Fachbereichen zu fördern. Erfreulich ist hier, dass in diesem Zusammenhang entwickelte Projekte wie die Orientierungswochen zwischenzeitlich von der gesamten Universität übernommen wurden.

Daran zeigt sich aber auch, dass Internationalisierung sich heute nicht mehr ausschließlich in den Räumlichkeiten des Dezernats Internationale Angelegenheiten abspielt, sondern über alle Fakultäten hinweg und auch in der zentralen Verwaltung stattfinden muss. Aufgabe des Internationalisierungsmanagements an der Universität wird es sein, diese neuen Herausforderungen zu koordinieren und miteinander zu verbinden. Denn die Internationalität einer Universität drückt sich nicht nur in der Anzahl ihrer Kooperationsbeziehungen, ihrer internationalen Studierenden, ihrer Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler sowie ihrer Publikationssprachen aus; sondern auch darin, wie international sie sich in ihren Abläufen und Strukturen gibt - kurz: wie Internationalität in ihr gelebt wird.

Wolfgang Mekle