Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2012: Studium und Lehre

Lehramtsqualifizierender Studiengang Chinesisch eröffnet

Für das Abitur 2015 sind die ersten schriftlichen Prüfungen in Chinesisch in Baden-Württemberg geplant

„Etwa 25 Prozent der Menschen verständigen sich im Internet auf Chinesisch“, stellte Professor Dr. Helwig Schmidt-Glintzer, Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, in seinem Festvortrag zur feierlichen Eröffnung des Lehramtsstudiengangs Chinesisch an der Universität Tübingen fest. Dies sei „die am schnellsten wachsende Sprachgemeinde“. Umso besser also, dass die Universität Tübingen ihren Studierenden nun die Möglichkeit gibt – als einzige Universität Süddeutschlands – Chinesisch auch mit dem Abschluss Lehramt zu studieren. Damit wird die Basis für den Aufbau der Lehrerinnen- und Lehrerausbildung für Chinesisch als gymnasiales Schulfach und die Weiterentwicklung der Fachdidaktik für Chinesisch geschaffen.

Auch Ministerialdirektorin Dr. Margarete Ruep aus dem Kultusministerium Baden-Württembergs stellte bei der Festveranstaltung am Donnerstag, dem 25. Oktober, die Wichtigkeit des Studiengangs klar: Für das Abitur 2015 sei in Baden-Württemberg die erste schriftliche Abitur-Prüfung in Chinesisch geplant. Sie garantierte den Absolventen die Möglichkeit, ihr Referendariat im Fach Chinesisch absolvieren zu können. Der neue Studiengang hat deutschlandweit Modellcharakter; vergleichbare Initiativen zur Einrichtung von Lehramtsstudiengängen Chinesisch gibt es derzeit nur in Bochum und Göttingen. Zur Eröffnung war auch Seine Exzellenz Shi Mingde, der Botschafter Chinas in Deutschland, gekommen. Er stellte die deutsch-chinesische Freundschaft heraus und sicherte die Unterstützung der Botschaft beim weiteren Ausbau des Studienganges zu.

Besonders für die Wirtschaft und damit auch für die Zukunft der Schülerinnen und Schüler ist die chinesische Sprache sehr interessant. „Nur wer mit dem Chinesischen umgehen kann, wird auf die Dauer mit China erfolgreich in Beziehung treten können“, sagte Helwig Schmidt-Glintzer in seinem Festvortrag. „Sich von dem Lerneifer Chinas anstecken lassen ist das Gebot der Stunde. Wenn dies aufgegriffen wird, kann es am Ende nur Gewinner geben.“

Ein weiterer Höhepunkt des Festakts war die feierliche Übergabe der originalen Promotionsurkunde Qiao Guanhuas aus dem Jahr 1938 an seinen Sohn Qiao Zonghuai, ehemaliger Vize-Außenminister der Volksrepublik China. „Es rührt mich sehr, die Urkunde meines Vaters an seiner Statt in Empfang nehmen zu dürfen“, sagte Qiao Zonghuai in Chinesisch. Sein Vater (1913-1983), ehemaliger Außenminister Chinas, ging 1935 zum Auslandsstudium nach Tübingen, wo er seine Doktorarbeit in Philosophie abschloss. „Diese Zeit bereicherte ihn immens und hatte großen Einfluss auf sein späteres Leben.“ Nach dem Angriff Japans auf die Marco-Polo-Brücke 1937 verließ Qiao Guanhuas Deutschland. Seine Promotionsurkunde wurde erst 1938 ausgestellt, weshalb er sie nicht mitnehmen konnte. Aufgrund seiner starken dienstlichen Beanspruchung sei es ihm nicht vergönnt gewesen, seine Alma Mater, die Universität Tübingen, noch einmal zu besuchen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Einrichtung des neuen Studiengangs die Verbreitung der chinesischen Sprache befördern und in der Folge die Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Völkern vertiefen wird“, sagte Qiao Zonghuai.

Abschließend verkündete Rektor Professor Dr. Bernd Engler die Eröffnung eines neuen Weltethos-Instituts an der Peking Universität. Im April 2012 hatte das Tübinger Weltethos-Institut als An-Institut der Universität Tübingen eröffnet. Wie dieses wird das chinesische Schwesterinstitut ebenfalls den Fokus auf Forschung und Lehre zu Fragen des Weltethos und eines globalen Wirtschaftsethos legen. Ermöglicht wird diese Gründung des neuen Weltethos-Instituts in Peking durch den deutschen Unternehmer Professor h. c. Karl Schlecht, der das Institut finanziell ebenso wie Liang Wengen, Vorstandsvorsitzender des international tätigen chinesischen Maschinenbauunternehmens SANY, unterstützt.

Mehrere Gymnasien der Region bieten Chinesisch als Arbeitsgemeinschaft an, das Friedrich-Schiller-Gymnasium in Marbach sogar als zweite Fremdsprache ab der 6. Klasse und als Wahlfach für das schriftliche Abitur. Insgesamt lernen im deutschen Sprachraum mehr als 5.800 Schüler in über 260 Schulen Chinesisch, überwiegend in Arbeitsgemeinschaften, in etwa 50 Sekundarschulen allerdings bereits als Vollfach. Einem weiteren Ausbau von Chinesisch als Schulfach stand bisher der eklatante Mangel an qualifizierten Lehrkräften entgegen.

Simona Steeger