Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2013: Forschung

E-Science als Core Facility der Universität Tübingen

Neue Möglichkeiten, Forschungsdaten zu erschließen, zu sichern und sie der wissenschaftlichen Community bereitzustellen

Im Rahmen des Zukunftskonzepts der Exzellenzinitiative richtet die Universität Tübingen für verschiedene Bereiche sogenannte Core Facilities ein – Einrichtungen, die in den jeweiligen Fachgebieten Forschungsinfrastrukturen bereitstellen und Forschungsdatenmanagement betreiben. Eine davon ist das E-Science-Center mit einem Schwerpunkt in den Digitalen Geisteswissenschaften oder auch „enhanced Humanities“ (E-Humanities; http://www.dig-hum.de/digitale-geisteswissenschaften). In enger Kooperation des Informations-, Kommunikations- und Medienzentrums (IKM) der Universität Tübingen mit den geistes- und sozialwissenschaftlichen Fakultäten bzw. Fachbereichen soll eine Infrastruktur entstehen, die es Wissenschaftlern ermöglicht, Forschungsdaten zu erschließen, zu sichern und sie gegebenenfalls auch für die autorisierte Nachnutzung oder Mitnutzung der wissenschaftlichen Community bereitzustellen. Gleichzeitig können die Wissenschaftler damit auch Vorgaben der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis gerecht werden.


In der Startphase des E-Science-Centers wurden viele Einzelgespräche mit Wissenschaftlern geführt, gleichzeitig sollte eine Umfrage einen breiteren Überblick über den Stand des Forschungsdatenmanagements an der Universität Tübingen geben.


Umfrage zum Umgang mit Forschungsdaten


Alle Forscherinnen und Forscher innerhalb der geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer wurden per Mail gebeten, an der Online-Umfrage zum Umgang mit Forschungsprimärdaten teilzunehmen. Die hohe Rücklaufquote, die teils äußerst detaillierten Antworten, aber besonders die überraschend große Bereitschaft über Erfahrungen, Wünsche und Anforderungen in persönlichen Gesprächen zu berichten, zeigen das große Interesse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an IT-Lösungen in ihren jeweiligen Forschungsfeldern. Die in Umfrage und Interviews gewonnenen Erkenntnisse bilden die Basis für die Ausrichtung des E-Science-Centers, das sich möglichst eng an den tatsächlichen Bedürfnissen und Anforderungen der wissenschaftlichen Community orientieren will.


Bis auf wenige Ausnahmen hat aus allen angesprochenen Fächern mindestens eine Person die Fragen beantwortet, so dass die Ergebnisse der Umfrage einen repräsentativen Querschnitt darstellen, der nicht durch eine Überrepräsentation einzelner Fachbereiche verzerrt wurde. Größtenteils oblag die Beantwortung der Fragen den Professorinnen und Professoren sowie den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.


Die Ergebnisse der Umfrage zeigen generell ein zunehmendes Bewusstsein für einen zielführenden und nachhaltigen Umgang mit Forschungsprimärdaten in nahezu allen geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern, aber auch, dass in vielen Bereichen noch Handlungsbedarf besteht. Eines der größten Probleme stellt die Speicherung und die Verfügbarkeit der Daten nach Ablauf der Projekte dar. Häufig existieren keine entsprechenden Strategien, um die Daten in standardisierten Formaten in langfristige und nachhaltige Archive zu überführen. So verbleibt die Aufgabe, die Daten nach Ablauf des Projektes weiterhin zu speichern in fast allen Fällen beim Wissenschaftler selbst. Die von Geldgebern geforderte langfristige Verfügbarkeit der Daten kann so meist nicht gewährleistet werden. Daher verwundert es nicht, dass die Bereitschaft, die Daten in ein zentrales Archiv zu überführen, sehr hoch ist. Die Mehrheit derjenigen, die daran ein Interesse haben, wünscht sich einen solchen Service zentral in Tübingen. Besonders aufgrund der aktuellen Diskussion zur Sicherheit von Daten, die auf einem der vielen Cloud-Dienste vorgehalten werden, überrascht dies nicht, verfügen doch nicht wenige Projekte über hochsensible Daten, die nicht in die Hände Dritter geraten sollen.


Dabei ist die Frage nach den Rechten an den Forschungsdaten, das heißt der Datenhoheit in vielen Fällen gänzlich ungeklärt. Ein nicht unerheblicher Teil der befragten Forscherinnen und Forscher hat sich bisher noch gar nicht mit diesem Thema auseinandergesetzt. An dieser Stelle muss das E-Science-Center in Zukunft den Projekten beratend zur Seite stehen, da die Frage nach den Rechten an den Daten gerade im Rahmen von langfristiger Archivierung und Verfügbarmachung von grundlegender Bedeutung ist.


Ein weiteres Desiderat stellt die Vermittlung von Wissen im Bereich E-Humanities an die Studierenden dar. Zwar hält dies ein sehr großer Teil der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der jetzigen Umfrage für wichtig oder sehr wichtig, dezidierte Lehrveranstaltungen zu diesem Thema werden jedoch in der Praxis in den wenigsten Fällen angeboten. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg hat jedoch jetzt einen gemeinsamen Antrag des IKM und des Instituts für Sprachwissenschaft der Philosophischen Fakultät der Universität Tübingen auf Mittel aus dem Innovations- und Qualitätsfond (IQF) bewilligt. Dies bietet die Chance, ab dem Wintersemester 2013/2014 an der Universität Tübingen ein ergänzendes Lehrangebot für die IT-Qualifikation von Geisteswissenschaftlern und die Einführung in Fragestellungen und Methoden von Digital Humanities aufzubauen, das diesem Manko abhelfen soll.


Fragt man die Forscherinnen und Forscher direkt nach ihren Wünschen an eine zentrale Serviceeinrichtung, dann stehen ein zentraler Speicherort für die Daten, die Beratung im Umgang mit Forschungsdaten sowie Hilfe bei der Erstellung von Datenmanagementplänen ganz oben auf der Wunschliste. Gerade letztere rücken zunehmend in den Fokus, legen doch die Geldgeber vermehrt Wert auf eine nachhaltige und nachnutzbare Datenstruktur der geförderten Projekte.


Das E-Science-Zentrum steht noch ganz am Anfang seiner Arbeit. Doch haben die Umfrage und die vielen bisherigen Kontakte gezeigt, dass die neue Core Facility auf einen hohen Bedarf an der Universität Tübingen trifft und die Pläne des Zentrums in die richtige Richtung gehen.

Matthias Lang

Die Stelle des Koordinators des E-Science-Zentrums konnte zum 1. April 2013 mit Dr. Matthias Lang besetzt werden, der von der Universität Göttingen nach Tübingen wechselte.

Kontakt:

Dr. Matthias Lang
Universitätsbibliothek Tübingen
Wilhelmstraße 32
Telefon +49 7071 29-72837

matthias.langspam prevention@uni-tuebingen.de