Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2016: Schwerpunkt

Gute Integrationschancen für studierende Flüchtlinge

Universität Tübingen erwartet steigende Bewerberzahlen in den nächsten Jahren

Das gängige Klischee des ungebildeten Flüchtlings ist falsch – allein in den drei Landkreisen um Tübingen gibt es um die 3.500 junge Geflüchtete, die ein hohes bis sehr hohes Bildungsniveau haben. So schätzt zumindest Reinhard Brunner, Leiter der Abteilung Beratung und Zulassung internationaler Studierender an der Universität Tübingen. Er spricht wöchentlich mit ca. 12 bis 15 Bewohnern von umliegenden Flüchtlingsheimen, die ein Studium an der Universität Tübingen weiterführen oder beginnen wollen.

Viele der Interessenten haben gute Voraussetzungen: „Von den je ca. 2.000 bis 2.500 Flüchtlingen in den Kreisen Tübingen, Reutlingen und Böblingen haben schätzungsweise etwa 50 Prozent akademische Qualifikationen oder eine Hochschulzugangsberechtigung“, so Brunner, insbesondere bei den syrischen Flüchtlingen ist das Bildungsniveau hoch einzuschätzen. Nicht für alle sei allerdings die Universität Tübingen das Richtige, viele seien an einer dualen Hochschule, einer Fachhochschule oder in einer qualifizierten Ausbildung besser aufgehoben. Bei jedem Besuch von studieninteressierten Flüchtlingen nimmt er sich erst eine halbe Stunde Zeit, um ihnen das deutsche Bildungssystem näherzubringen. „In Syrien etwa sind die Strukturen ganz anders. Da gibt es nur Studium oder nicht Studium. Hier sind die Möglichkeiten breiter gefächert. Wenn mir allerdings einer sagt, er hat Physik studiert, dann sage ich natürlich: klar, du kannst hier weitermachen.“

Gerade syrischen Flüchtlingen kann Brunner häufig gute Nachrichten bringen: Wer in Deutschland als asylberechtigt anerkannt ist, kann sofort BAföG beantragen, Geduldete und Inhaber bestimmter humanitärer Aufenthaltstitel nach 15 Monaten Wartezeit. „Für die meisten Syrer sollte die Finanzierung des Studiums kein großes Problem sein“, sagt Brunner.

Wer allerdings noch gar keinen Asylantrag stellen konnte oder in der Antragsphase ist, hat keine Möglichkeit, BAföG zu beantragen und kann auch nicht studieren, da er als Student keinen Anspruch auf die Grundsicherung hat, die allen Flüchtlingen zusteht. Ein junger Mann aus Mali, der gerne in Tübingen studieren wolle, warte zum Beispiel seit zwei Jahren auf sein erstes Gespräch mit dem Amt, erzählt Studienberater Brunner.

Jeder registrierte Flüchtling kann immerhin als Gasthörer kostenlos Vorlesungen und Seminare an der Universität besuchen. 28 junge Menschen aus Syrien, Ägypten und dem Irak nehmen dieses Angebot derzeit wahr. Sie haben im vergangenen Oktober bis Dezember einen Anfänger-Sprachkurs für Flüchtlinge an der Abteilung Deutsch als Fremdsprache und Interkulturelle Programme der Universität besucht. . Das Programm wurde in diesem Jahr nicht weitergeführt, da Neuankömmlinge hier keinen zusätzlichen Integrationskurs erhalten könnten, erklärt Donato Tangredi, Leiter der Abteilung. „Tübingen ist glücklicherweise sehr gut ausgestattet mit Deutsch- und Integrationskursen von anderen Trägern“, sagt Tangredi. Im kommenden Wintersemester wird die Abteilung allerdings mit weiterführenden Deutschkursen am Propädeutikum für Flüchtlinge engagiert sein.

Momentan bereiten sich fünf Geflüchtete im Rahmen des Syrien-Stipendiums des Landes mit solchen Kursen auf ihr Studium an der Universität Tübingen vor. Ein junger Mann und vier junge Frauen wollen Medizin, Psychologie, Pharmazie, Biologie und Pharmazeutical Technologies studieren. „Dieser Bereich spiegelt so in etwa die Gesamtstudienwünsche der Flüchtlinge aus Syrien wider“, sagt Brunner: „seltener auch mal Sprachen, aber hauptsächlich Lebenswissenschaften.“

Bevor sie ihr Studium weiterführen, muss auch anerkannten Flüchtlingen erst die Studierfähigkeit in Deutschland bescheinigt werden, vor allem, was die Sprache angeht. Ab dem kommenden Wintersemester wird es dafür einen Vorbereitungskurs für das Studium in Tübingen geben, das die Stabsstelle Flüchtlingskoordination entwickelt hat. Das Bewerbungsverfahren für die 25 Plätze dieses „Refugee-Kurses“ beginnt voraussichtlich Ende April, Bewerbungsschluss ist der 15. Juni. Reinhard Brunner erwartet, dass die Bewerberzahlen in den nächsten Jahren weiter hochgehen. Er sieht bei den studierwilligen Flüchtlingen „sehr gute Integrationschancen“.

Luise Loges