Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2017: Forum

Wir wollen als weltoffene und internationale Universität auftreten

Interview mit Prorektorin Professorin Dr. Monique Scheer

Die Kulturwissenschaftlerin Professorin Dr. Monique Scheer ist seit 1. Oktober 2016 nebenamtliche Prorektorin für Internationales an der Universität Tübingen. Für den Newsletter „Uni Tübingen aktuell“ hat Maximilian von Platen sie zu den Zielen für ihre vierjährige Amtszeit und zur Internationalisierungsstrategie der Universität befragt.

Was reizt Sie am Amt der Prorektorin für Internationales?

Es war keine ganz leichte Entscheidung. Ich bin gerade 50 geworden, da hat man als Wissenschaftlerin durchaus noch Ziele. Da ich das Amt der Prorektorin für Internationales nebenamtlich ausübe, bleibt aber noch ein gewisses Zeitbudget für die Forschung übrig.


Ich habe an der Universität Tübingen studiert – es ist ein Ort, der mir etwas bedeutet und für dessen Erhalt und Weiterentwicklung ich arbeiten möchte. Das Amt der Prorektorin bietet auch die Möglichkeit, die Uni von innen richtig gut kennenzulernen. Und auch besser zu verstehen, wie sie funktioniert.


Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die Ämter im Rektorat und auf der oberen Dekanatsebene von Professorinnen und Professoren der Universität bekleidet werden sollten, falls möglich. Wir sollten nicht dahin kommen, dass unsere Professoren diese Ämter nicht mehr übernehmen wollen und wir Profis von außen holen müssen – was teilweise an anderen Universitäten bereits geschieht.

Was schätzen Sie als Amerikanerin am deutschen Hochschulsystem?

Ich habe meinen ersten Studienabschluss in den USA gemacht. Als ich dann vor fast 30 Jahren nach Deutschland kam, habe ich die Freiheit des damaligen Vor-Bologna-Systems sehr geschätzt, die Möglichkeit, das Studium offen zu gestalten. Ich fand es toll, was man damals hier bei den Studierenden an Selbstständigkeit voraussetzte. Ich bin daher etwas zurückhaltend, wenn man heute meint, Studierende hier genauso betüteln zu müssen wie in den USA und in anderen Ländern. Nichtsdestotrotz müssen wir natürlich erkennen, dass auch unsere Studierenden immer jünger werden – vielleicht werden deshalb entsprechende Maßnahmen für Studierende auch bei uns notwendig.

Sehr positiv ist, dass durch die Bologna-Reform die Anerkennung von Studienleistungen vereinfacht worden ist. Ich habe das selber schmerzlich erfahren, als ich nach Deutschland gekommen bin, wieviel Zeit man in seinem akademischen Werdegang verlieren kann, wegen nicht anerkannter Studienleistungen.

Ich finde es richtig, dass in Deutschland die Exzellenzinitiative gestartet wurde. Am amerikanischen System hat mir immer gefallen, dass es eine ausdifferenzierte Hochschullandschaft gibt, mit der Möglichkeit von unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Intensitäten im Studium wie auch in der Forschung. Ich finde es gut, dass das deutsche System jetzt versucht, ebenfalls eine ausdifferenzierte Forschungslandschaft herauszubilden. Auch die Zusammenarbeit zwischen außeruniversitären Forschungseinrichtungen und universitärer Forschung wird gefördert. Durch die neueren Entwicklungen des deutschen Hochschulsystems und die Exzellenzinitiative bleibt Deutschland international konkurrenzfähig.

In welchen Bereichen ist die Universität Tübingen international bereits gut aufgestellt, wo gibt es noch Nachholbedarf?

Wir sind sehr gut aufgestellt im Bereich Studierendenaustausch. In der Statistik des DAAD für 2016 sind wir deutschlandweit unter den großen Universitäten die Nr. 1 bei den internationalen Kooperationen mit Partnerhochschulen – ohne Erasmus. In Nordamerika befindet sich fast die Hälfte unserer nichteuropäischen Austauschpartner, aber weit über ein Viertel liegt in Asien. Und wir haben strategische Partnerschaften und Außenstellen in Japan, Korea und China. Aber auch im europäischen Bereich stehen wir sehr gut da.

Nachholbedarf sehe ich hingegen bei unseren internationalen Studiengängen, da bewegen wir uns eher im Mittelfeld. Wir bringen gerade unser elektronisches Studiengangsverzeichnis auf Vordermann und wollen zukünftig die Anforderungen für internationale Studiengänge klar und einheitlich darstellen. Internationale Studienbewerber sollen auf einen Blick erkennen, für welchen Studiengang sie sich bewerben können. Das ist die Voraussetzung dafür, dass wir bestimmte Studiengänge bewerben, die in Konkurrenz zu Studiengängen nicht nur in Deutschland, sondern europa- oder weltweit stehen. Denn darum geht es: insbesondere im Master-Bereich die besten Studierenden nach Tübingen zu holen.

Ein wichtiger Baustein für unsere Internationalisierungsbemühungen ist auch die Modernisierung der Uni-Homepage. Wir müssen ein Bewusstsein entwickeln, dass wir keine regionale Universität sind, dass wir keine rein deutschsprachige Hochschule sind – sondern eine zweisprachige, international agierende Universität. Unsere Webseiten müssen künftig auch auf Englisch abrufbar, gut übersetzt und auch lesbar sein. Dies ist gleichermaßen wichtig für internationale Forschende wie auch demnächst für den Gutachterkreis der Exzellenzstrategie. Es gibt nichts Frustrierenderes für die Besucher und Besucherinnen einer Webseite als auf das Symbol für Englisch zu klicken und dann nur deutsche Inhalte zu finden. Unsere Webseiten sollen bis auf die Institutsebene ins Englische übersetzt werden, dafür setze ich mich ein..

Für das Re-Audit Internationalisierung, das im Sommer 2017 abgeschlossen wird, spielt die Homepage ebenfalls eine wichtige Rolle. Weitere Maßnahmen im Rahmen des Re-Audits sind der Aufbau eines Netzwerks von Forscher-Alumni sowie die jeweils optimalen Internationalisierungsmaßnahmen für die Fachbereiche zu finden und zu implementieren.

Im Bereich Forschung ist die Universität Tübingen in zwei internationalen Verbünden aktiv: auf der globalen Ebene ist das das Matariki-Netzwerk und seit Herbst 2016 auf der europäischen Ebene der Zusammenschluss „The Guild“: eine Gruppe von 25 Universitäten, die sich als Partner vor allem bei der Lobbyarbeit auf EU-Ebene sehen und dabei die neuen osteuropäischen EU-Länder miteinzubeziehen und dort Aufbauarbeit zu leisten. In solchen Netzwerken sind Kooperationen sowohl für Forscher wie auch für Studierende denkbar.

Mir persönlich ist es wichtig, dass die Internationalisierung nicht top-down gemacht wird, sondern dass die Partnerschaften und Forschungskooperationen auf Initiative der Professorinnen und Professoren zustandekommen. Wir als Hochschulleitung stellen dafür günstige Bedingungen bereit und bieten Unterstützung an. Andererseits hat es auch Vorteile, wenn wir uns auf die strategischen Partnerschaften konzentrieren, das hoffe ich in der kommenden Zeit noch besser zu vermitteln und zu fördern.

Für internationale Gastwissenschaftler gibt es seit Oktober 2010 das Welcome Center, ist eine vergleichbare Anlaufstelle auch für internationale Studierende geplant?

Das Welcome Center ist eine tolle Einrichtung und funktioniert sehr gut. Wenn wir dem Anspruch einer internationalen Universität gerecht werden wollen – und das ist für mich Teil des Exzellenzgedankens – dann müssen wir auch als weltoffene und internationale Universität auftreten.

Dazu gehört für mich auch, dass wir internationale Studierende und Forschende aufnehmen. Das betrifft den Aspekt Wohnraum, der sich in Tübingen sehr dramatisch darstellt. Hier brauchen wir ein stärkeres Bewusstsein, dass Wohnraum dringend benötigt wird. Es kann nicht sein, dass Leute voller Hoffnung nach Tübingen reisen und dann wieder abreisen und ihren Studienaufenthalt abbrechen, weil sie keine Wohnung finden.

Bei den Studierenden liegt unser Schwerpunkt auf den internationalen Masterstudiengängen. Im Rahmen eines künftigen Studierendenmarketings könnte ich mir ein Welcome Center für diese Zielgruppe sehr gut vorstellen.

Welche Bedeutung hat der Tübingen Research Campus (TRC) für das Internationalisierungskonzept der Universität Tübingen?

Der Tübingen Research Campus ist ein Aushängeschild, eine große Bandbreite von hochkarätigen außeruniversitären Forschungseinrichtungen, alle in Uninähe. Das ist ein großer Standortvorteil, den man für den Ausbau weiterer Kooperationen nutzen kann. Auch für die Vermarktung des Forschungsstandorts Tübingen ist der TRC ein hervorragendes Instrument.