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01.02.2018

Ein typischer Mitteleuropäer – Genom des Architekten der Dresdner Frauenkirche entschlüsselt

Ein Forschungsteam der Universität Tübingen untersucht das Erbgut von George Bähr aus dem 18. Jahrhundert, um mehr über sein Aussehen und seine gesundheitliche Disposition zu erfahren

Von vielen historischen Persönlichkeiten ist kein Bildnis überliefert. So gibt es auch von George Bähr, dem Architekten und Erbauer der Dresdner Frauenkirche, der von 1666 bis 1738 lebte, keine Beschreibung oder gar ein Porträtbild. Beim Wiederaufbau der im Zweiten Weltkrieg zerstörten Kirche wurden Teile seines Skeletts gefunden. Auf Anregung der George-Bähr-Stiftung haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Leitung von Professor Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und der Universität Tübingen Knochenproben von Bähr untersucht. Sie wendeten eine bisher in der paläogenetischen Abstammungsforschung genutzte Methode an, um beispielhaft zu untersuchen, welche Aussagen sich zu dessen Aussehen und Merkmalen treffen lassen. Von der Universität Tübingen waren Alexander Peltzer und Professorin Kay Nieselt vom Zentrum für Bioinformatik sowie Alissa Mittnik und Cosimo Posth vom Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie an der Studie beteiligt. Ein Porträt im klassischen Sinne lässt sich aus den Ergebnissen nicht zeichnen. Doch einige Punkte kann das Forschungsteam festhalten. Danach war Bähr genetisch gesehen ein typischer Mitteleuropäer, der helle Haut und wahrscheinlich braune Augen hatte. Die Studie wird in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.


George Bähr wurde 1666 als Sohn eines Webers in Fürstenwalde südlich von Dresden geboren. Er machte eine Lehre als Zimmermann und kam 1693 nach Dresden, wo er unter anderem Mechanik studierte. 1705 wurde er zum Ratszimmermeister ernannt. Sein Hauptwerk, die Dresdner Frauenkirche, begann er 1722. Bähr starb 1738, fünf Jahre vor ihrer Vollendung, mit 72 Jahren an einem Lungenödem. Er wurde zunächst auf dem Johanniskirchhof beerdigt. Erst 1854 wurden seine Überreste in die Krypta der Frauenkirche umgebettet. Die Dresdner Frauenkirche wurde im Zweiten Weltkrieg bei den Luftangriffen der Westalliierten im Februar 1945 weitgehend zerstört. Erst nach der Wende begann 1994 der Wiederaufbau, der 2005 abgeschlossen wurde. Dabei gefundene Skelettteile sind mit hoher Wahrscheinlichkeit George Bähr zuzuordnen.

Mit der rasanten Weiterentwicklung genetischer Untersuchungsmethoden wurden schon einige Versuche unternommen, das Aussehen historischer Personen zu rekonstruieren. Die Entzifferung des gesamten Erbguts, des Genoms, sei jedoch noch immer recht kostspielig, sagt Krause. Daher nutzte das Forschungsteam zur Analyse des Erbguts von George Bähr eine preisgünstigere Technik, die sonst in der Populationsgenetik verwendet wird, wenn zahlreiche Proben alter DNA auf die Verwandtschafts- und Abstammungsverhältnisse durchmustert werden. Hierbei konzentrieren sich die Forscher auf ausgesuchte Stellen im Erbgut, von denen bestimmte Varianten an Mutationen, also Genveränderungen, bekannt sind. Die individuellen Muster dieser Genvarianten lassen einige Rückschlüsse auf Merkmale des Menschen zu.


„Unser erster Punkt war sicherzustellen, dass es sich überhaupt um alte DNA handelt“, sagt Alexander Peltzer, Erstautor der Studie. Dies gelang den Forschern anhand typischer Schäden, die sich über den Zeitraum der Zersetzung anhäufen. Die Knochenproben seien mindestens hundert Jahre alt. Außerdem konnten sie nachweisen, dass es sich um ein männliches Individuum handelte und dass die Proben frei von Verunreinigungen durch DNA anderer Personen war. „Von mütterlicher Seite fanden wir die typischen Genmuster einer mitteleuropäischen Herkunft. Die väterliche Linie, das Muster der Y-Chromosomen, fand sich zu dieser Zeit in großen Teilen Westeuropas, am häufigsten im Donaubecken und der Pariser Region“, berichtet Peltzer. „Bähr war ein typischer Mitteleuropäer, bei dem sich keine genetischen Einflüsse von Menschen außerhalb Europas fanden.“ Er sei hellhäutig gewesen, die Augenfarbe sehr wahrscheinlich braun. Die Forscher fanden darüber hinaus ungefähr ein Dutzend Genvarianten, die nach heutigem Wissen das Risiko für bestimmte Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder eine Verengung der Herzkranzgefäße steigern. „Obwohl Bähr für die Verhältnisse im 17. und 18. Jahrhundert relativ lange lebte, hat seine genetische Disposition möglicherweise zu seinem Tod beigetragen“, sagt Krause.

Publikation:

Alexander Peltzer, Alissa Mittnik, Chuan-Chao Wang, Tristan Begg, Cosimo Posth, Kay Nieselt, and Johannes Krause: Inferring genetic origins and phenotypic traits of George Bähr, the architect of the Dresden Frauenkirche. Scientific Reports, DOI 10.1038/s41598-018-20180-z.

Kontakt:

Alexander Peltzer
Universität Tübingen
Quantitative Biology Center (QBiC)
Telefon +49 7071 29 - 78290
alexander.peltzerspam prevention@qbic.uni-tuebingen.de

Prof. Dr. Johannes Krause
Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und Universität Tübingen
krausespam prevention@shh.mpg.de

Eberhard Karls Universität Tübingen
Hochschulkommunikation
Dr. Karl Guido Rijkhoek
Leitung
 
Janna Eberhardt
Forschungsredakteurin
Telefon +49 7071 29-77853
Telefax +49 7071 29-5566
janna.eberhardt[at]uni-tuebingen.de

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