Uni-Tübingen

24.10.2023

Alumni Spotlight Interview: Franziska Becker - promovierte Ethnologin und ausgebildete Mediatorin

"Großgruppenkonflikte sind gerade in urbanen Kontexten sehr komplex; sie konstruktiv zu bearbeiten, erfordert gute analytische Fähigkeiten, eine stets zu wahrende allparteiliche Haltung, nicht konfliktscheu zu sein, in Konflikten mit Politik und Verwaltung beharrlich und durchsetzungsfähig zu bleiben und die Empathie nicht zu verlieren."

Franziska Becker ist promovierte Ethnologin und ausgebildete Mediatorin. Sie hat in Tübingen Empirische Kulturwissenschaft, Politikwissenschaft und Neuere deutsche Literatur studiert. Von 1992 bis 2006 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Philipps-Universität Marburg. 1999 promovierte sie zur Einwanderung russischer Juden ab 1989 nach Deutschland. Seit 2006 ist sie als Ethnologin und Mediatorin freiberuflich tätig mit den Schwerpunkten: Konfliktmanagement im öffentlichen Raum und bei Großgruppenkonflikten (u a. Berlin), ethnografische Konfliktforschung, Sozialraumstudien und kommunale Beratung in der Stadt- und Gemeindeentwicklung. Ihre zahlreichen Publikationen dazu finden sich unter: www.ethnologie-mediation.de. F.B. hat rund drei Jahrzehnte in Berlin gelebt und lebt seit Kurzem wieder in Tübingen.

 
Beschreiben Sie sich selbst in einem Hashtag: 

#deraufklärungverpflichtet

Wenn ich an meine Zeit in Tübingen denke…

…bin ich dankbar für etliche Freundschaften, die ich damals während des Studiums geschlossen habe und die bis heute lebendig sind. 

Was war Ihr größtes Learning aus der Zeit Ihres Studiums? 

Mein mehrsemestriges Studienprojekt in der Empirischen Kulturwissenschaft am Ludwig-Uhland-Institut zum Thema „Nationalsozialismus im Landkreis Tübingen“. Dieses Projekt hat den Grundstein meines wissenschaftlichen Arbeitens und insbesondere für ethnografische Feldforschungen gelegt.

Was machen Sie beruflich und was fasziniert Sie daran?  

Während meiner langjährigen Tätigkeit als Ethnologin und Mediatorin in konfliktbelasteten öffentlichen Räumen komme ich mit allen sozialen Schichten, Menschen unterschiedlicher kultureller Prägungen, mit Politik und Verwaltung, zivilgesellschaftlichen Akteuren, Sozialverbänden, Polizei u.v.a. in Kontakt. Tief in gesellschaftliche Diversität einzutauchen, wie es mein Beruf erfordert, fasziniert und bildet mich mehr, als es rein wissenschaftliches Arbeiten könnte.

Außerdem coache ich Arbeitsgruppen wie z.B. seit mehreren Jahren das Team des Projekts „Denkfabrik Schalom Aleikum“ in Berlin, eine Forschungseinrichtung innerhalb des Zentralrats der Juden in Deutschland, die Wissenschaft, Praxis und dialogischen Austausch auf sowohl akademischer als auch zivilgesellschaftlicher Ebene verbindet. Gerade jetzt, angesichts der schrecklichen Ereignisse in Israel, fühle ich mich diesem Team sehr verbunden.  

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen dabei? 

Großgruppenkonflikte sind gerade in urbanen Kontexten sehr komplex; sie konstruktiv zu bearbeiten, erfordert gute analytische Fähigkeiten, eine stets zu wahrende allparteiliche Haltung, nicht konfliktscheu zu sein, in Konflikten mit Politik und Verwaltung beharrlich und durchsetzungsfähig zu bleiben und die Empathie nicht zu verlieren.

Meine Mitmenschen wären überrascht, wenn Sie wüssten, dass ich….

Da gäbe es nicht viel, außer vielleicht, dass ich seit einigen Jahren male und zeichne.

Lesestoff: welches Buch haben Sie zuletzt gelesen und wem würden Sie es empfehlen?

David Grossman: Was Nina wusste. Eva Menasse: Vienna. Empfehlenswert für alle, die diese großartigen Schriftsteller noch nicht kennen. 

 

Das Gespräch führte Inga van Gessel. 

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