Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2013: Alumni Tübingen

Dr. Christine Hohmann-Dennhardt über die Frauenquote und ihr Studium in Tübingen

Erstes weibliches Vorstandsmitglied der Daimler AG: Tübinger Alumna im Interview

Dr. Christine Hohmann-Dennhardt, 1950 in Leipzig geboren, studierte in Tübingen Rechtswissenschaft und schloss ihr Studium 1975 mit dem zweiten Staatsexamen ab. Die Promotion folgte 1979 in Frankfurt am Main. Ab 1981 arbeitete Hohmann-Dennhardt als Richterin an den Sozialgerichten Frankfurt am Main, Wiesbaden und am Landessozialgericht Darmstadt. 1984 wurde sie zur Direktorin des Sozialgerichts Wiesbaden und 1988 zum stellvertretenden richterlichen Mitglied des Staatsgerichtshofes des Landes Hessen ernannt. Seit 1989 war Hohmann-Dennhardt als Dezernentin für Soziales, Jugend und Wohnungswesen der Stadt Frankfurt tätig, bevor sie 1991 zur Hessischen Ministerin der Justiz ernannt wurde. 1995 folgte die Berufung als Ministerin für Wissenschaft und Kunst des Landes Hessen, 1999 die Ernennung zur Richterin des Bundesverfassungsgerichts. Seit 2011 ist Dr. Christine Hohmann-Dennhardt erstes weibliches Vorstandsmitglied der Daimler AG und in dieser Funktion verantwortlich für Integrität und Recht.

Im Interview mit Simona Steeger für „Uni Tübingen aktuell“ berichtet sie von Ihrer Studienzeit in Tübingen, sie spricht über eine Frauenquote und hat Ratschläge für heutige Studierende parat.

Warum haben Sie sich für ein Studium an der Universität Tübingen entschieden?

Die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Tübingen hatte damals einen sehr guten Ruf, der sich auch damit begründete, dass man großen Wert auf die Lehre legte. Deshalb war es nicht notwendig, ein Repetitorium zu besuchen, um sein Studium erfolgreich abzuschließen - bei schmalem Stipendium ein wichtiger Grund. Außerdem lag Tübingen nicht allzu weit entfernt von Marbach am Neckar, wo meine Eltern zu dieser Zeit lebten.

Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Ihrer Studienzeit?

Es war eine an- und aufregende Zeit mit vielen Diskussionen, Vollversammlungen im Audimax, Demonstrationen. Dabei ging es vor allem um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit durch die Wissenschaften und um Studienreformfragen. Ich wurde damals bei eingeführter Drittelparität zur Fakultätsbeauftragten für Studienreformfragen gewählt - als Student, noch dazu weiblich, das war wahrlich ein Novum. Ich erinnere mich an spannende Seminare, vor allem auch bei Joseph Esser, aber natürlich auch an vergnügliche Dinge wie Stocherkahnfahren, Ausflüge ins Umland bei Sonnenschein und Mostbowle oder abendliche Zusammentreffen bei "Mammele", einer beliebten Studentenkneipe.

Sie waren als Richterin tätig und als Ministerin. Seit 2011 sind Sie Vorstandsmitglied der Daimler AG. Was reizt Sie an Ihrem Beruf besonders und wie hat Ihre Tübinger Zeit Sie darauf vorbereitet?

Mein Studium in Tübingen hat mich mit einem guten juristischen Handwerkszeug und einem Blick über den Tellerrand auf andere wichtige Fachgebiete wie Soziologie, Ökonomie, Philosophie ausgestattet. Das hilft, sich auch in unterschiedlichen beruflichen Positionen schnell und gut zurechtzufinden. An meiner juristischen Profession gefällt mir deshalb am meisten ihr breites Anwendungsfeld, “mit Recht“ sinngebend gestalten zu können und Probleme ihrer Lösung zuzuführen.

Als erstes weibliches Vorstandsmitglied der Daimler AG: Was halten Sie von einer Frauenquote?

Ich bin schon seit langem für eine Frauenquote. Bei Daimler gibt es bereits eine klare Zielvorgabe, bis zum Jahr 2020 den Anteil der Frauen in Führungspositionen auf 20 Prozent zu steigern. Das ist in einem Ingenieur-geprägten Unternehmen ein durchaus ambitioniertes Ziel. Ich meine, schon die Diskussion um eine gesetzliche Quote hat zur Sensibilisierung für das Problem noch vorhandener gläserner Dächer beim beruflichen Aufstieg von Frauen und zu verstärkten Eigenanstrengungen geführt - das ist erfreulich. Bei aller Quotendiskussion darf aber nicht vernachlässigt werden: Es muss auch noch einiges Andere getan werden, um es Frauen wie Männern zu ermöglichen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen.

Was würden Sie heutigen Studierenden für Studium und Beruf raten?

Nutzen Sie das Studium nicht nur zum Anhäufen von Fachwissen, sondern zum Erfassen von technischen, ökonomischen, gesellschaftlichen Zusammenhängen und verschaffen Sie sich damit ein gutes tragfähiges Grundlagenwissen als Basis für stetes Weiterlernen auch nach dem Studium, um mit der Wissensentwicklung Schritt halten zu können, wo immer Sie beruflich landen werden. Ein offener Blick führt weiter als fachliche Scheuklappen.