Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft

Vernetzt lernen, forschen, vermitteln: Arbeit in Sammlungen

Eine Kooperation volkskundlicher Sammlungsinstitutionen mit Universitäten
 

Gefördert durch Ministerium für Wissenschaft und Kunst in Baden-Württemberg
Laufzeit 09/2017-03/2020
Projektleitung
(in alphabetischer Reihenfolge)
Karin Bürkert (LUI, Uni Tübingen), Cornelia Ewigleben (Landesmuseum Württemberg, Stuttgart), Michael Fischer (Zentrum für Populäre Kultur und Musik, Uni Freiburg), Eckart Köhne (Badisches Landesmuseum Karlsruhe), Markus Tauschek (KA/EE, Uni Freiburg), Thomas Thiemeyer (LUI, Uni Tübingen)

Die Kooperation entwickelt und fördert die Arbeit mit kulturgeschichtlichen Sammlungen nach dem Prinzip vernetzt lernen, forschen und vermitteln. Das neugegründete „Forum für Alltagskultur in Baden-Württemberg“ bringt die kulturwissenschaftlichen Lehr-, Forschungs- und Sammlungsinstitutionen des Landes miteinander in Kontakt, um das Kulturerbe des Alltags für die universitäre Lehre und die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Beteiligt sind neben dem Freiburger Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie sowie dem Freiburger Zentrum für Populäre Kultur und Musik die Landesstelle für Volkskunde in Stuttgart und das Museum für Alltagskultur in Waldenbuch des Landesmuseums Württemberg und die Außenstelle Südbaden des Badischen Landesmuseums Karlsruhe mit ihren Archivalien zum regionalen Alltagsleben. Die angestrebte enge Zusammenarbeit zielt auf eine nachhaltige Stärkung des Fachs Kulturanthropologie/Empirische Kulturwissenschaft durch die Nutzung der umfangreichen Sammlungen zur Populär- und Alltagskultur als Ressource für Lehre und gesellschaftlichen Wissenstransfer. Die Integration der Sammlungsbestände in Lehrformate wird dabei wesentlich zu einer praxisorientierten Lehre nach dem Prinzip des „Forschenden Lernens“ beitragen. Beginnend mit Lehrveranstaltungen zum Thema Arbeitskulturen werden die vielfältigen Bestände in Baden-Württemberg für die Lehre systematisch vernetzt, zugänglich gemacht und öffentlichkeitswirksam (Homepage, Ausstellungen, Publikationen) aufbereitet.

Der Verbund baut auf der traditionell starken Verbindung zwischen dem Fach Volkskunde und Museum bzw. Archiv auf, die hier unter neuen Vorzeichen strategisch ausgebaut werden soll. Die Kooperation verstetigt sich nachhaltig durch die Verankerung gemeinsam entwickelter Lehrveranstaltungen in den Studienplänen der beteiligten Universitäten, durch die verbesserte Zugänglichkeit der wertvollen Bestände für die universitäre Forschung und Lehre sowie durch den Transfer der Erkenntnisse in eine breite Öffentlichkeit.

Die Volkskunde ist als wissenschaftliche Disziplin im 19. Jahrhundert – u.a. auch aus der musealen Sammlungspraxis – entstanden. In Baden-Württemberg ist das Fach heute in Freiburg i. Br. und in Tübingen an der Universität mit einem eigenen Institut vertreten. Standen bis in die Nachkriegszeit das Retten und Bewahren von vermeintlich bedrohten kulturellen Ausdrucksformen im Vordergrund, haben sich im Zuge der Modernisierung des Faches seit den 1960er-Jahren Gegenstände, Zugangsweisen und theoretische Rahmen radikal geändert. Erst in den letzten Jahren erkennen Universitäten wieder das enorme wissenschaftliche Potenzial gesammelter Artefakte, die unter kulturanalytischen Zugängen und neuen didaktischen Modellen des „forschenden Lernens“ zu Erkenntnissen über Prozesse soziokulturellen Wandels führen können.

Inner- und außeruniversitäre Sammlungen
Der Wert von (außer-)akademisch gesammelten Objekten für die universitäre Lehre wird im Zuge der vielerorts neugegründeten Universitätsmuseen erst in den letzten Jahren wieder über die Grenzen des kleinen Fachs hinweg beachtet. Als strukturelle Besonderheit zeigen sich sowohl in Tübingen als auch in Freiburg die umfassenden außer- und inneruniversitären Sammlungen (etwa im Zentrum für Populäre Kultur und Musik mit dem 1914 gegründeten Deutschen Volksliedarchiv oder der umfangreichen Sammlung zur Alltagkultur der Landesmuseen). Eine weitere Besonderheit liegt in der engen Zusammenarbeit mit der Landesstelle für Volkskunde des Landesmuseums Württemberg und der Außenstelle Südbaden des Badischen Landesmuseums als Scharnier zwischen Universität und Museum. Ihre Bestände (v.a. Schrift- und Bildquellen) dokumentieren den Wandel von Lebensumständen und Lebensstilen jenseits der Hochkultur. Die volkskundlichen Sammlungsbestände müssen mit der gegenwärtigen gesellschaftlichen Neubewertung populärer Kultur (vielfach unter dem Stichwort des immateriellen Erbes) neu perspektiviert werden. Die in den volkskundlichen Sammlungen dokumentierten Ausdrucksformen der Kultur der Vielen sind bisher kaum gezielt in staatlichen Archiven und Sammlungsstätten erfasst worden und sollen hier als Ressource einer historisch dimensionierten Gesellschaftsanalyse nutzbar gemacht werden. Derzeit sind die volkskundlichen Sammlungen des Landes nur in Ansätzen in ihrer Komplexität genutzt. Dies liegt daran, dass die heterogenen Bestände sehr unterschiedlich erschlossen sind (nur Teile sind digital verfüg- und recherchierbar). Dies wiederum erklärt sich aus der enorm betreuungs- und arbeitsintensiven Pflege der Sammlungen, die die Universitätsinstitute, aber auch die außeruniversitären Einrichtungen durch mangelnde strukturelle Ausstattung kaum zu leisten vermögen.

Zwei Säulen: „Vernetzte Lehre“ und „Gesellschaftlicher Transfer“
Mithilfe der Initiative „Kleine Fächer“ sollen zwei Säulen – „Vernetzte Lehre“ und „Gesellschaftlicher Transfer“ – zur nachhaltigen Stärkung des Faches realisiert werden. Dazu wurden im Juli 2016 bereits erste infrastrukturelle Schritte durch die Gründung des „Forums Alltagskultur in Baden-Württemberg“ eingeleitet. Es ist das Ziel des Forums, die alltagskulturellen, sächlichen und nichtsächlichen Sammlungen als vielfältige Ressourcen zu nutzen, sie nachhaltig zu entwickeln und akademischer Lehre und Forschung sowie der außeruniversitären Bildung zugänglich zu machen. Langfristig können so brachliegende Wissensbestände unter aktuellen Forschungsaspekten (neu) erschlossen und die Sammlungen für die historische und gegenwartsorientierte Forschung zu Kultur und Lebensweisen nutzbar gemacht werden. Durch die Zusammenarbeit sollen aktiv gegenwärtige Forschungsfragen und -ergebnisse in die Sammlungen hineingetragen und ein wechselseitiger Wissens- und Methodenflow zwischen den universitären und außeruniversitären Sammlungs- und Forschungsinstitutionen generiert werden. Ziel ist es dabei, die nur vermeintliche Kluft zwischen Theorie und Praxis zu überwinden, universitäre Lehre und die Forschung in Museen zusammenzuführen und schließlich die Potenziale sammlungs- und archivbasierter Forschungsarbeit zu steigern und über geeignete Formate an die Öffentlichkeit zu kommunizieren.