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07.07.2023

Musikalische Botschafter für Tübingen und die Universität: 50 Jahre Camerata Vocalis

Ein Interview mit Universitätsmusikdirektor Philipp Amelung

Die Camerata Vocalis mit Philipp Amelung (vorne) auf Konzertreise in Horto, Griechenland, 2022

Herr Amelung, erzählen Sie ein bisschen von der Geschichte der Camerata Vocalis…

Die Camerata Vocalis wurde vor 50 Jahren vom damaligen Universitätsmusikdirektor (UMD) Alexander Sumski als Universitätschor gegründet. Das erste Konzert war 1973 eine Aufführung der Carmina Burana. Der Chor hatte dabei in etwa die Größe unseres heutigen Akademischen Chors, hieß aber Camerata Vocalis. Sumski legte im Laufe seiner Amtszeit immer mehr Wert auf die Qualität, deswegen wurde die Camerata in der Folge ‚ausgedünnt‘: Der Chor wurde kleiner und damit auch seinem Namen gerechter, bis er schließlich wirklich ein Kammerchor geworden ist. In der Folge hat Alexander Sumski mit der Camerata viele Schallplatten aufgenommen. Die außergewöhnliche technische Flexibilität, die reiche Palette an Klangfarben und die überzeugende stimmliche Leistung machten sie schon damals zu einem wichtigen musikalischen Botschafter der Tübinger Universität. Trotzdem war die Camerata Vocalis während seiner Amtszeit fast durchgängig größer als sie das heute ist, weil es eben zu dieser Zeit noch keinen akademischen Chor gab.

Den akademischen Chor, also den großen Universitätschor, hat dann erst mein Vorgänger Tobias Hiller 1999 gegründet. Er wollte als Universitätsmusikdirektor die Möglichkeit haben, auch mal größere Chor-Projekte und Konzerte zu machen. Hiller hat immer abwechselnd ein Semester lang Projekte mit der Camerata und ein Semester mit dem akademischen Chor gemacht.

Ich biete seit meinem Amtsantritt im Sommersemester 2011 dagegen jedes Semester beide Chöre an. Denn auch im großen Chor entsteht eine Chorgemeinschaft – trotz aller Schwankungen bei einer Größe von 60 und 90 Sängerinnen und Sängern –, die durch ein Semester Pause gestört würde. 

Wie war Ihr Start als Nachfolger von Tobias Hiller 2011?

Ich habe sowohl die Camerata Vocalis als auch das gesamte Collegium Musicum in einem extrem guten Zustand übernommen. Alle Menschen sind mir sehr freundlich und offen gegenübergetreten. Nach dem überraschenden Tod von Tobias Hiller gab es ein Übergangssemester, in dem Jan Schumacher die Camerata vocalis und Patrick Strub das Akademische Orchester dirigiert hat.

Nach meinem Amtsantritt am 1. April 2011 habe ich bereits relativ früh im Semester mit dem Akademischen Chor das Brahms-Requiem aufgeführt und mit der Camerata Vocalis eine Motette in der Stiftskirche. Beides wurde noch von Tobias Hiller geplant.

Wenn man ein neues Ensemble übernimmt, ist ja gefühlt immer alles frisch - alle gehen mit großem Elan an die Arbeit. Danach folgt in der Regel die Konsolidierungsphase, in der man sich aneinander gewöhnen muss und in der die Sängerinnen und Sänger merken, dass auch der neue Chorleiter so seine Eigenheiten hat… Es gab also nach ein paar Semestern meiner Amtszeit einen kleinen Umbruch bei der Camerata, was nicht unüblich ist.

Unter Tobias Hiller gab es beispielsweile relativ viele Sängerinnen und Sänger in der Camerata, die nicht mehr studiert haben. Bei mir kamen gleich am Anfang relativ viele Studierende neu hin, einige wenige sind sogar heute noch nach 12 Jahren dabei! Offiziell ist es keine Bedingung, dass man eingeschrieben sein muss, um bei der Camerata mitzusingen oder beim Orchester mitzuspielen. Tatsächlich sind aber mittlerweile über 90 Prozent (!!!) unserer Mitglieder Studierende. Das zeichnet unsere Chöre und unser Orchester beim Collegium Musicum auch ein wenig aus - im Vergleich zu Ensembles an anderen Universitäten, wo die Quote häufig nur bei 50 Prozent liegt. Dadurch haben wir mehr Wechsel, gleichzeitig erhält das in der Camerata eine gewisse jugendliche Frische.

Tatsächlich erhalten die Studierenden auch 5 ECTS-Punkte, wenn sie zwei Semester regelmäßig bei uns teilnehmen. Aber das ist für niemanden das ausschlaggebende, um in der Camerata mitzusingen oder im Orchester mitzuspielen. Was mich besonders freut: viele Studierende kommen selbst dann regelmäßig zu den Proben, wenn sie merken, dass sie am Termin des Konzertes gar nicht teilnehmen können - nur weil es ihnen so viel Spaß macht, sich wöchentlich zu treffen und Musik zu machen.

Programm zum Jubiläum

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