Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW)

Dr. Sabine Pohl

Dissertationsprojekt

Dissertationsprojekt: Albert Schweitzers Ethik als Kulturphilosophie: Ehrfurcht vor dem Leben als Maßstab der Selbstgestaltung des Menschen durch Biotechniken?

Die Dissertation untersucht die Ethik Schweitzers im Hinblick auf ihre Relevanz für die Bewertung der ethischen Probleme, die sich dem Menschen durch Anwendung von Biotechniken stellen.
Albert Schweitzers Ethik, die als „Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben“ bekannt ist, wird meist darauf reduziert, utopisch und nicht umsetzbar zu sein. Dazu beitragen mag die Tatsache, dass Schweitzer seine Kulturphilosophie nicht zu Ende bringen konnte. Besonders im Dritten Teil derselben (KPh III)1, der erst posthum 1999/2000 erschienen ist, entwirft er aber Gedanken, die für die heutige Ethik von besonderer Relevanz sein könnten: er setzt die Ausprägung der Ethik in engen Zusammenhang zur kulturellen Entwicklung des Menschen.

Schweitzer geht davon aus, dass ethisches Verhalten im Menschen von Natur aus angelegt ist und zur Ausprägung kommt. Je mehr der Mensch in einem geistigen Verhältnis zur Welt steht, desto weiter zieht er den Kreis derer, denen gegenüber er ethische Verpflichtung und Verantwortung hat. Im Laufe der Geschichte rücken die Erkenntnisse des Menschen über die Natur immer mehr in den Fokus des seines Bemühens. Hierbei entstehen Schwierigkeiten, biologische und ethische Anschauungsweisen zu vereinigen. Der Mensch erhebt sich gewissermaßen über die Natur, indem er immer mehr Wissen über deren Kräfte erlangt und diese für seine Zwecke nutzt. Schweitzer sah diese Probleme bereits 1945, als es noch keine bioethischen Debatten um Klonen, Pränataldiagnostik u.ä. gab.

Der Mensch von heute hat ein enormes Wissen erworben und technische Möglichkeiten entwickelt, um in das Naturgeschehen eingreifen zu können. Er kann sich selbst aktiv „verbessern“ und damit sein Dasein außerhalb der Grenzen, die ihm natürlich gegeben sind, beeinflussen. Er verfügt aber nicht über einen Maßstab, die Eingriffe ethisch zu beurteilen, die sich mit dem Fortschreiten seiner Möglichkeiten ergeben. Schweitzers Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben könnte ein solcher Maßstab sein.
In der Dissertation soll untersucht werden, wie Schweitzer das Fortschreiten der Möglichkeiten, sich über das Naturgeschehen hinwegzusetzen, beurteilt und wo er die Chance sieht, eine ethische Bewertung so zu entwerfen, dass sie Gültigkeit besitzen kann. Dabei wird auch den grundlegenden Fragen nachgegangen, woher der Begriff der Ehrfurcht vor dem Leben stammt, wie Schweitzers Ethik vom damals herrschenden Zeitgeist geprägt wurde und sein Biozentrismus genauer definiert werden. Dies soll auf Probleme, die sich der Forschung aktuell stellen, angewandt werden.

Die Arbeit ist in 4 Schwerpunktgebiete gegliedert und beschäftigt sich zunächst mit der historischen Bedeutung der Ethik Schweitzers. Darauf aufbauend werden die von ihm verwendeten Begriffe möglichst authentisch rekonstruiert werden.
Der dritte Teil wird sich intensiv mit Schweitzers Kultur- und Technikbegriff auseinandersetzen. Erst am Anschluss daran macht es Sinn, zu versuchen, das Ehrfurchtsprinzip auf sich heute stellende Probleme der Bioethik anzuwenden. Schweitzer wird in der aktuellen Bioethikdebatte vermehrt zu Rate gezogen, jedoch scheinen die Darstellungen und Interpretationen häufig verkürzt, da es bislang nicht möglich war, den gesamten Nachlass in die Untersuchungen einzubeziehen.
Das Dissertationsprojekt soll dazu beitragen, diese Lücke zu schließen, um Schweitzers Argumentationszusammenhang in der Bioethik aufzuzeigen und verständlich zu machen.

Zur Person

Studium der Philosophie und Neueren und Neuesten Geschichte an der Eberhard Karls Universität Tübingen von 2003 - 2008. Von 2005 – Mai 2008 studentische, Juni - Dezember 2008 wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Ethik in den Biowissenschaften von Frau Prof. Dr. Eve-Marie Engels.
Magisterabschluss im Mai 2008. Der Titel der Magisterarbeit lautete: Entscheidungen am Lebensende. Eine kritische Auseinandersetzung mit Stellungnahmen zur Sterbebegleitung.
Seit Oktober 2008 Promotion in Philosophie. Das Dissertationsprojekt wird erstbetreut durch Prof. Dr. Eve-Marie Engels.
Im Dezember 2008 Aufnahme in das DFG- Graduiertenkolleg zur „Selbstgestaltung des Menschen durch Biotechniken“.

Kontakt

E-Mail: sapohl[at]uni-mainz.de

Johannes Gutenberg Universität

Philosophisches Seminar

Jakob-Welder-Weg 18

55099 Mainz