Institute of Historical and Cultural Anthropology

LUI/TVV-Newsletter 70 – Sonderausgabe April 2017 zum Brand in der Biesingerstraße 26 am 20.03.2017

Am Montag, den 20.03.2017 ist die LUI-Außenstelle in der Biesingerstraße 26 unter tragischen Umständen fast völlig ausgebrannt.

In den Räumen des Gebäudes war seit 1993 das Büro von Hermann Bausinger und die Tübinger Arbeitsstelle für Sprache in Südwestdeutschland untergebracht, zu der seit 2011 das vom Land geförderte Projekt „Sprachalltag“ mit vier Mitarbeiter*innen gehört sowie das Arno Ruoff-Archiv mit über 2000 Dialektaufnahmen und zahlreichen anderen Archivbeständen zur Dialektforschung. Außerdem hatte das LUI seit 2011 dort Räume für Projektmitarbeiter/innen und große Teile des Institutsarchivs ausgelagert, darunter das gesamte Bildarchiv, das Archiv der Studien- und Drittmittelprojekte, Korrespondenzen ehemaliger Professoren sowie die Zeitungsausschnittsammlung.

Wir bedauern den Verlust eines Menschenlebens und sind sehr erleichtert, dass keine*r der Mitarbeiter*innen zu Schaden gekommen ist.

In den letzten Wochen waren und sind wir damit beschäftigt, Archivbestände aus dem Haus zu bergen. In Zusammenarbeit mit dem Amt für Vermögen und Bau, dem Ingenieurbüro Ströbel/Bilger/Mildner und der Zimmerei Stopper konnten insgesamt drei Tonnen Archivmaterial über die Fenster einiger noch begehbarer Räume und mit einem Kran vom Dachboden geborgen werden.

Unter den drei Tonnen des weiteren geborgenen Materials befinden sich die Nachlässe von Utz Jeggle und Herbert Schwedt, darunter Korrespondenzen und Forschungsmaterialien, sowie der Vorlass von Hermann Bausinger und Gottfried Korff, Teile des Projektarchivs mit Aufzeichnungen zu den Projekten von Martin Scharfe und anderen Lehrenden sowie Protokolle und Korrespondenzen aus dem Institutsarchiv und die komplette Zeitungsausschnittsammlung.

Die teils vom Löschwasser nassen Akten wurden zur Firma Schempp in Kornwestheim – einer Spezialfirma zur Bestandserhaltung und Aufbereitung von geschädigtem Archivgut – transportiert. Dort wurde das Material eingefroren und in einem Spezialverfahren getrocknet.

Von den mehr als 20.000 Dias und 10.000 Diapositiven konnten wir noch ca. 1000 Stück aus den Trümmern bergen. Trotz dieser ernüchternden Ausbeute sind wir froh um jedes Bild als kulturgeschichtliches Zeugnis des 20. Jahrhunderts. In Lehrveranstaltungen und neuen Forschungsprojekten wurden die Bestände gerade wieder neu genutzt für eine kritische Auseinandersetzung mit politisierter Fotopraxis und Fachgeschichte. Wichtige Bestände wie die Sammlung des völkischen Fotografen Hans Retzlaff sind so erhalten geblieben, weil sie im LUI zur Benutzung bereitgestellt waren.

Sehr froh sind wir außerdem, dass die Dialektaufnahmen des Arno Ruoff-Archivs und die Bestände zur Dialektforschung im Rahmen des Projekts „Sprachalltag“ vollständig digitalisiert worden waren. Die Tonbänder konnten zudem noch in einem guten Zustand aus dem Haus geborgen werden, so dass auch die Originale wieder der Forschung zur Verfügung stehen.

Die Mitarbeiter*innen des Projekts „Sprachalltag“ und vor allem Sabine Müller-Brem, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die LUI-Sammlungen zuständig ist, arbeitet derzeit auf Hochtouren, um das geborgene Archivgut wieder nutzbar zu machen und v.a. gut in neuen Räumen unterzubringen.

Wir möchten uns an dieser Stelle bei den Verantwortlichen von Universität und Amt für Vermögen und Bau, namentlich Herrn Rothfuß und Herrn Selbmann sowie allen zuständigen Mitarbeiter*innen ganz herzlich für die Kooperationsbereitschaft bedanken. Insbesondere danken wir Herrn Bruno Müller vom VBA, Herrn Lindner vom Ingenieurbüro Ströbel und vor allem den Mitarbeitern der Firma Stopper, die uns stets unkompliziert und tatkräftig geholfen haben.

Dank gilt natürlich auch den Mithelfer*innen – Mitarbeiter*innen, Studierende, Freunde und Alumni des LUI –, die bei der Bergung kistenweise Material geschleppt, aussortiert und verpackt haben und den Nachbarn vor Ort, die uns so gut versorgt haben. Insbesondere ist Uli Hägele zu danken, der am Kran hängend den Boden des Dachgiebels nach Überbleibseln unseres Bildarchivs abgesucht hat.

Nähere Informationen zur Bergung, den Verlusten und zur Konservierung der Bestände sowie zur näheren Zukunft der Sammlung, Fotos und einige materielle Residuen aus dem Brand gibt es am 20.04. im Institutskolloquium ab 19 Uhr zu hören und zu sehen. Alle Interessierten und vor allem die Helfer*innen sind dazu herzlich eingeladen.