Adressatenorientierung

Kompetenzen im Umgang mit Wissenschaften und Vertrauen in Wissenschaften sind unentbehrliche Ressourcen individueller wie gesellschaftlicher Orientierung und Entscheidungsfindung. Maßgeblich für rhetorische Wissenschaftskommunikation ist, welche Zielgruppen in einem konkreten Fall adressiert werden sollen. Dieses Schlüsselmerkmal wirkungsorientierter Kommunikation wird in der klassischen Rhetorik als aptum (lateinisch für Angemessenheit) bezeichnet.

Zentral hierfür ist die Fähigkeit der Perspektivenübernahme. Rhetorisch lassen sich kommunikative Widerstände immer nur aus der Perspektive verschiedener Adressaten richtig einschätzen. Das bildet die Grundlage für verständliche und motivierende Kommunikation. Viele Menschen sind in ihrem alltäglichen Leben stark eingebunden und weit davon entfernt, sich explizit mit wissenschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Wissenschaftskommunikation kann nicht gelingen, wenn sie pauschal ein Grundinteresse an Wissenschaften unterstellt.

Kommunikatives Urteilsvermögen setzt die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme voraus und ist ein wichtiges Ziel einer rhetorisch fundierten Aus- und Weiterbildung in Wissenschaftskommunikation: Hier erlernen Teilnehmende, kommunikative Angebote aus der Perspektive verschiedener Adressatinnen zu beurteilen und mit Blick auf konkrete Adressaten zu optimieren. Dazu müssen auch eigene Positionen und Selbstverständlichkeiten kritisch hinterfragt werden.


Denn da ja der Redeschmuck vielgestaltig und vielfältig ist und sich zu jeder Rede in anderer Form schickt, wird er, falls er den Gegenständen und Personen der Rede nicht angemessen ist, die Rede nicht nur nicht besser zur Geltung bringen, sondern sie sogar entwerten und die Kraft der Gedanken, die sie enthält, gegen sie selbst richten.

– Quintilian


Eine besondere Rolle hinsichtlich einer empirisch fundierten Theorie und Praxis der Adressatenorientierung kommt der kognitiven Psychologie zu. In dieser Disziplin sind in den letzten Jahren relevante Bausteine erarbeitet worden, um die Ausgangs- und Gelingensbedingungen menschlicher Kommunikation besser zu verstehen, allen voran die Begriffe „Motivated reasoning“, „Metacognition“ und „Conceptual Change“. Das FfW kooperiert mit dem Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM), das zu diesen Themen international beachtete Spitzenforschung betreibt.