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22.01.2020

Kleine Fische orten Fressfeinde durch Licht

Meeresbewohner lenkt Sonnenlicht um ‒ Augenreflexion warnt vor lauernden Raubfischen

Im Experiment hinderten kleine Hütchen den gelben Spitzkopf-Schleimfisch daran, Sonnenlicht mit dem Auge umzulenken. Daraufhin hielt er weniger Abstand zum Fressfeind als die Artgenossen ohne Hütchen. Hinweis: Die Hütchen wurden mit einem medizinischen Kleber angebracht und fielen danach von selbst ab. Die Spitzkopf-Schleimfische wurden wieder ins Meer freigelassen.

Kleine Fische nutzen „aktive Lichtortung“, um potenzielle Räuber frühzeitig zu entdecken. So kann der „gelbe Spitzkopf-Schleimfisch“ (Tripterygion delaisi) mit seiner Iris seitlich Sonnenlicht reflektieren und damit seine unmittelbare Umgebung ausleuchten. Dass er dies auch dazu nutzt, seinen Fressfeind, den „Drachenkopf“ (Scorpaena porcus), zu lokalisieren, konnten Professor Nico Michiels vom Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen und sein Team nun erstmals in Experimenten nachweisen. Denn trifft das umgelenkte Licht auf die Augen eines Drachenkopfs, wird es zurückreflektiert ‒ und warnt so die Fische, Abstand zu halten. Die Ergebnisse wurden im Fachmagazin Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht.

Manche Tierarten senden aktiv Signale aus und können aus den Reflexionen naher Objekte ihre Umgebung oder Beutetiere ausmachen. So verwenden beispielsweise Fledermäuse Ultraschall-Laute, um sich per Echoortung zu orientieren. Lichtortung, also das Aussenden von Licht um sichtbare Reflexionen auszulösen, war bislang nur von in der Tiefsee lebenden Laternenfischen bekannt. Diese nutzen chemisch erzeugtes Licht, um in der Dunkelheit besser sehen zu können.

Die Lichtortung tagaktiver Fische wie des Spitzkopf-Schleimfisches ist hingegen kaum erforscht. Der vier Zentimeter lange Fisch lebt in zehn Metern Tiefe im Atlantik und Mittelmeer. Durch Kippen und Drehen seines Auges ist er in der Lage, das einfallende Sonnenlicht mit der Iris umzulenken. Die Tübinger Biologen konnten bereits zeigen, dass er auf diese Weise „Augenblitze“ aussendet, um seine Beute, Kleinkrebse, zu finden. 

Dass er so auch Fressfeinde wie den Drachenkopf ortet, zeigt nun die aktuelle Studie. Der gut getarnte Raubfisch wartet reglos am Boden auf seine Beute. Trifft das umgelenkte Licht auf seine retroflektierenden Augen, erzeugt dies ein Augenleuchten: Wie reflektierende Katzenaugen warnt es den Spitzkopf-Schleimfisch vor der Gefahr. In Experimenten in Korsika, im Labor und auf dem Meeresboden, hinderten die Tübinger Biologen die Fische mit kleinen, schattierenden Hütchen daran, Sonnenlicht seitlich umzulenken. Dies hatte zur Folge, dass die Fische einem (hinter Glas präsentierten) Drachenkopf wesentlich näher kamen als ihre Artgenossen aus der Kontrollgruppe. Wurde stattdessen ein Stein als visuelles Objekt präsentiert, näherten sich alle Fische gleich stark an, ob mit oder ohne Hütchen.

„Das umgelenkte Licht ist zwar schwach“, sagt Professor Nico Michiels. „Visuelle Modellierungen im Computer zeigen aber, dass es in den Augen der Drachenköpfe eine Reflexion erzeugt, die ausreichend stark ist, um vom Spitzkopf-Schleimfisch wahrgenommen zu werden.“ Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Fische diese Änderung der Pupillenhelligkeit über Entfernungen von sieben Zentimetern und mehr erkennen können. Dies reicht aus, um einen bis dahin unentdeckten Drachenkopf rechtzeitig zu umgehen. „Wir vermuten, dass diese Form der aktiven Wahrnehmung bei kleinen Fischen weit verbreitet ist“, so Michiels.

Publikation:

Matteo Santon, Pierre-Paul Bitton, Jasha Dehm, Roland Fritsch, Ulrike K. Harant, Nils Anthes und Nico K. Michiels. Redirection of ambient light improves predator detection in a diurnal fish. Proceedings of the Royal Society B, https://doi.org/10.1098/rspb.2019.2292 

Kontakt:

Prof. Dr. Nico Michiels
Universität Tübingen
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Evolutionsökologie der Tiere
 Telefon +49 7071 29-74649
nico.michielsspam prevention@uni-tuebingen.de 

Pressekontakt:

Eberhard Karls Universität Tübingen
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Dr. Karl Guido Rijkhoek
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Antje Karbe
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antje.karbespam prevention@uni-tuebingen.de 

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