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18.04.2024

Team um Ausstellung „Cyber and the City“ im Tübinger Stadtmuseum gewinnt Kommunikationspreis der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Zwei Kulturwissenschaftler und eine Informatikerin der Universität Tübingen erhalten den Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ihre Wissenschaftskommunikation zu Künstlicher Intelligenz.

Das Team der Ausstellung „Cyber and the City“, die den DFG-Communicator-Preis gewonnen hat. V.l.n.r.: Thomas Thiemeyer (Universität Tübingen/ Empirische Kulturwissenschaft), Ulrike von Luxburg (Universität Tübingen/Maschinelles Lernen), Guido Szymanska (Kurator Stadtmuseum) und Tim Schaffarczik (Universität Tübingen/ Empirische Kulturwissenschaft).

Der Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Stifterverbandes geht in diesem Jahr an ein interdisziplinäres Team der Universität Tübingen: Ulrike von Luxburg, Informatik-Professorin für die Theorie des Maschinellen Lernens, Tim Schaffarczik, Doktorand am Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft, sowie Thomas Thiemeyer, Professor für Empirische Kulturwissenschaft, ebenfalls am Ludwig-Uhland-Institut. Sie erhalten die mit 50.000 Euro dotierte Auszeichnung für ihre herausragende und vielfältige Wissenschaftskommunikation zur Entwicklung und Umsetzung der Ausstellung „Cyber and the City: Künstliche Intelligenz bewegt Tübingen“, die modellhaft auch für den Dialog zu anderen kontrovers diskutierten Wissenschafts- und Technologiethemen ist.

Die Ausstellung war von Februar 2023 bis Januar 2024 im Stadtmuseum Tübingen zu sehen und ist interdisziplinär und gemeinsam mit dem Stadt-museum Tübingen, insbesondere dessen Ausstellungskurator Guido Szymanska, konzipiert und umgesetzt worden. Teil des Ausstellungsteams waren außerdem mehr als 30 Studierende der Empirischen Kulturwissenschaft und des Masterstudiengangs Machine Learning der Universität Tübingen.

Ulrike von Luxburg: „Die Ausstellung konnte nur deshalb so überzeugen, weil wir von Anfang an verschiedene Perspektiven auf das Thema eingebracht und mitgedacht haben. Die Studierenden mit ihren diversen Hintergründen, Meinungen und Herangehensweisen und die langjährige Erfahrung von dem Kurator des Stadtmuseums, Guido Szymanska, wie man abstrakte Ideen in konkrete Exponate umsetzen kann, haben die Ausstellung so erfolgreich gemacht."

Die Jury aus Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten, Kommunikations- und PR-Fachleuten unter dem Vorsitz von DFG-Vizepräsident Professor Dr. Johannes Grave würdigte bei ihrer Entscheidung, dass das Team „Cyber and the City“ das so abstrakte wie kontroverse Thema Künstliche Intelligenz in die Lebens- und Erfahrungswelt der Menschen holt. Zudem eröffne es einen Dia-lograum, in dem sehr unterschiedliche Positionen und Interessen verhandelt werden können.

Dazu habe das Team in einer erfolgreichen interdisziplinären Zusammenarbeit von Informatik und Empirischer Kulturwissenschaft eine Ausstellung im Tübinger Stadtmuseum und ein Begleitprogramm entworfen. Studierende der beiden Disziplinen erarbeiteten die Grundlagen für die Ausstellung und die weiteren Kommunikationsformate und bezogen dabei Interessengruppen, Bürgerinnen und Bürger, Aktivistinnen und Aktivisten oder auch Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in die Konzeption und Umsetzung ein. Auf diese Weise, so die Jury des Communicator-Preises, sei eine Kommunikationsplattform entstanden, die eine gemeinsame Sprache zu Herausforderungen und Chancen von Künstlicher Intelligenz findet und sowohl Befürworterinnen und Befürworter als auch Skeptikerinnen und Skeptiker von KI zu Wort kommen lässt.

Flankiert wurde die Ausstellung von einem umfangreichen Begleitprogramm, in das sich die an der Ausstellung beteiligten Akteurinnen und Akteure mit eigenen Veranstaltungen einbringen konnten. Zu den Veranstaltungen zählten etwa die „Retro Gaming Night meets KI“ sowie die in Kooperation mit dem SWR veranstaltete Podiumsdiskussion „Wer kontrolliert KI?“. Die Ausstellung zog insgesamt mehr als 40.000 Besucherinnen und Besucher unterschiedlicher Altersgruppen an. Durch Ausstellung und Begleitprogramm entstand so insgesamt ein Dialograhmen, der die am Standort sehr kontrovers geführte Diskussion rund um Künstliche Intelligenz versachlicht hat, ohne dabei Emotionen und Positionierungen zu ignorieren.

Die Jury für den Communicator-Preis hob hervor, dass die lokale Verortung der Kommunikation bei diesem Projekt eine besondere Bedeutung habe: Künstliche Intelligenz – als global wirksames und zugleich schwer greifbares Thema – wurde hier am konkreten Fall, als Konsequenz von kontroversen Debatten in der Stadt und gemeinsam mit lokalen Akteurinnen und Akteuren verhandelt. Und dies geschah nicht in digitalen Foren, sondern im direkten Austausch der Beteiligten. Damit sei es dem Team hervorragend gelungen, ein schwieriges Thema leicht, humorvoll und dabei sachlich und intelligent umzusetzen. Insgesamt, so die Jury, sehe sie in der Arbeit des Teams den gelungenen Weg einer dialogischen Wissenschaftskommunikation, die weit über den Standort und das konkrete Thema hinausweise. Insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Dialogkultur, in der verschiedene Argumente und Positionen kaum noch in einen konstruktiven Austausch zu bringen sind, sei dies ein besonders ermutigendes Projekt.

Der „Communicator-Preis – Wissenschaftspreis des Stifterverbandes“ wird seit dem Jahr 2000 verliehen und gilt als der wichtigste Preis seiner Art in Deutschland. Ausgezeichnet werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in ihrer Wissenschaftskommunikation besonders kreativ sind, neue, auch mutige Wege gehen und ihre Zielgruppen auf geeignete und wirksame Weise ansprechen. Sie sollen zudem die gesellschaftliche Dimension ihrer Forschung erkennen und ihr Wissen in öffentliche Debatten, Meinungsbildungsprozesse und Entscheidungen einbringen. Das Preisgeld soll die Ausgezeichneten in ihrem Engagement unterstützen und auch die Umsetzung neuer Projekte ermöglichen.

Die Jury wählte das nun ausgezeichnete Team in einem mehrstufigen Auswahlprozess aus 38 Bewerbungen und Vorschlägen aus. Verliehen wird der Communicator-Preis im Rahmen der Jahresversammlung der DFG am 1. Juli 2024 in Potsdam.

 

Statements zum Communicator-Preis

Petra Olschowski, Wissenschaftsministerin Baden-Württemberg

„Der Communicator-Preis geht erstmals an ein Team aus Baden-Württemberg! ,Cyber and the City‘ aus Tübingen ist es gelungen, mit kreativer Wissenschaftskommunikation ein breites Publikum für das Zukunftsthema Künstliche Intelligenz zu begeistern. Mit ihrer Ausstellung samt Begleitprogramm haben die interdisziplinär Forschenden den Brückenschlag von der Wissenschaft in den Alltag der Menschen geschafft. Diese vorbildliche Übersetzungsleistung macht eine fundierte Diskussion und Reflexion von KI-Innovationen in der Gesellschaft möglich.“ 

 

Prof. Dr. Dr. h.c. (Dōshisha) Karla Pollmann, Rektorin der Universität Tübingen

"Die Ausstellung “Cyber and the City” zeigt, wie die Forschung der Universität Tübingen Brücken in die Öffentlichkeit schlägt. Dieses Angebot einer Auseinandersetzung mit den Bürgerinnen und Bürgern steht in bester Tübinger Tradition. Wir bieten einen Ort und Raum für Debatten – auch über kontroverse Themen wie das Cyber Valley. Denn die Erforschung der Künstlichen Intelligenz eröffnet uns nicht nur Chancen, sondern stellt uns auch vor Herausforderungen."

 

Prof. Dr. Ulrike von Luxburg, Preisträgerin, Informatik

„Es gab in den vergangenen Jahren ja starke Proteste gegen KI-Forschung in Tübingen. Daher ist es mir sehr wichtig, mit den Leuten in Tübingen ins Gespräch zu kommen, ihnen zu zeigen, an was wir arbeiten, aber auch ihre Bedenken anzuhören und ernst zu nehmen. Die Ausstellung hat dazu einen Anstoß gegeben, den sehr viele Leute wahrgenommen haben. Und dass wir die Ausstellung gemeinsam mit einem so bunten Team von Studierenden und Museumsleuten erstellen konnten, hat total Spaß gemacht und war unglaublich bereichernd für mich.“

 

Tim Schaffarczik, Preisträger, Empirische Kulturwissenschaft

„Die Ausstellung hat die Grundlage für eine fundierte Diskussion in der Stadtgesellschaft geschaffen, die im Rahmen des Begleitprogramms geführt werden konnte. Hier haben sich die unterschiedlichsten Perspektiven versammelt und es wurde konstruktiv debattiert. Besonders freut es mich, dass die Diskussionen um die Auswirkung des Forschungsverbundes auf die Stadt und um ethische Fragen von neuen Technologien im Alltag an vielen Stellen weitergeführt werden.“

 

Prof. Dr. Thomas Thiemeyer, Preisträger, Empirische Kulturwissenschaft

„Besonders freut es mich, dass mit dem Communicator-Preis zwei Lehrforschungsprojekte in der Empirischen Kulturwissenschaft und der Informatik ausgezeichnet werden, die ein hoch politisches Thema gemeinsam mit Studierenden aufbereitet haben. Ein wichtiger Grund für den Erfolg war dabei die enge Zusammenarbeit mit dem Stadtmuseum. Es hat nicht nur zusammen mit uns die Ausstellung kuratiert, sondern sich auch stark in die Lehre eingebracht und für eine publikums- und zielgruppenorientierte Vermittlung jenseits des Akademischen gesorgt. Diese Kooperation machte einmal mehr deutlich, wie gewinnbringend es ist, mit Institutionen außerhalb der Universität zusammenzuarbeiten.“

 

Guido Szymanska, Kurator der Ausstellung im Stadtmuseum Tübingen

„Das Stadtmuseum spricht ein breites Publikum mit sehr unterschiedlichen Bildungshintergründen an. Darum bin ich glücklich, dass es uns mit ‚Cyber and the City‘ gelungen ist, das komplexe Thema KI allgemein verständlich zu vermitteln - und sogar mit einer Prise Humor. Eine tolle Erfahrung war die Arbeit in einem interdisziplinären Team. Trotz sehr verschiedener Perspektiven ist es uns immer wieder gelungen, bestmögliche Vermittlungsformate zu finden.“

 

Patrick Klügel, Public Engagement Manager der Universität Tübingen

„Herzlichen Glückwunsch! Ulrike Luxburg, Thomas Thiemeyer und Tim Schaffarczik haben gezeigt, was echte dialogische Wissenschaftskommunikation bewirken kann: ein gemeinsames von- und miteinander Lernen. ‚Cyber and the City‘ ist ein rundum gelungenes Beispiel für den notwendigen Kulturwandel in der Kommunikation. Die Inspiration, den Mut und das Engagement für die Gesellschaftsorientierung ihrer Forschenden wird die Exzellenzstrategie der Universität Tübingen mit ihrem Public-Engagement-Konzept weiterhin konsequent fördern und unterstützen.“

 

Alexander Conzelmann, Machine Learning, als Studierender an der Ausstellung beteiligt

„Die Ausstellung im Stadtmuseum mitzugestalten hat mich als Informatik-Studierender unglaublich bereichert. Man konnte nicht nur einen Einblick bekommen, wie andere Fachbereiche arbeiten, sondern man hat auch zum ersten Mal wirklich erlebt, wie seine eigene Arbeit in den Kontext der Gesellschaft eingebettet und wahrgenommen wird, und wie man genau diese Diskussion selber mitgestalten kann.“

 

Tim Weisbarth, Machine Learning, als Studierender an der Ausstellung beteiligt

“Dieses Projekt hat mich auf vielseitige Art und Weise bereichert. Da war die Exkursion nach Dresden und das Kennenlernen der Kuratorin der dortigen KI-Ausstellung, die regelmäßige Zusammenarbeit mit der Anthropologie und der dadurch ganz anderen Sichtweise auf die Dinge, das Erstellen eines robust funktionsfähigen Ausstellungsobjektes und vieles mehr! Zusätzlich durfte ich die Ausstellung während der gesamten Zeit durch BesucherInnen-Führungen begleiten, was mir gezeigt hat, was an meiner Arbeit als Forscher im Bereich maschinelles Lernen die Menschen wirklich umtreibt. Das wird mich auch in den nächsten Jahren noch sehr beeinflussen. Ich bin allen Beteiligten sehr dankbar für diese Möglichkeit!”

 

Mara Seyfert, Machine Learning, als Studierende an der Ausstellung beteiligt

 „Es war spannend und herausfordernd, gemeinsam zu überlegen: Wie vermitteln wir unser Wissen über KI am besten, worauf kommt es an? Neben der Entwicklung eines Exponats habe ich auch öffentliche Führungen gegeben. Die Besucher:innen haben im Anschluss immer noch weiterführende Fragen über KI gestellt. Über die Altersgrenzen hinweg ist das Interesse an dem Thema riesig, und ich freue mich sehr, dass wir mit der Ausstellung einem Raum zu Lernen und Austauschen über KI schaffen konnten.“

 

Jan-Niklas Dihlmann, Machine Learning, als Studierender an der Ausstellung beteiligt

„Das Mitwirken an der KI-Ausstellung 'Cyber and the City' war für mich eines der spannendsten Ereignisse meiner gesamten Universitätszeit. Es ermöglichte mir, über die Grenzen meines technischen Verständnisses von Maschinellem Lernen hinauszugehen und zusammen mit Studierenden der Kulturwissenschaften neue Perspektiven zu entdecken. Das Ergebnis dieser intensiven Teamarbeit war, dass KI zum Gesprächsthema über die Stadtgrenzen hinweg wurde und zu vielen positiven Diskussionen führte, sowohl unter Bekannten als auch mit dadurch neu entstandenen Bekanntschaften.“

 

Lukas Weber, Machine Learning, als Studierender an der Ausstellung beteiligt

„Die Ausstellung war eine tolle Möglichkeit, meinen Mitmenschen die Schwächen und Probleme, als auch die Stärken und Chancen von Maschinellem Lernen näher zu bringen. So gab sie eine Möglichkeit, dieses technisch anspruchsvolle Thema anschaulich darzustellen und die 'Künstliche Intelligenz' konnte entzaubert und das Thema für viele erst greifbar, weniger angsteinflößend und verständlich werden. Dies ermöglichte eine faktenbasierte Diskussion.”

 

Hanna Scheffold, Empirische Kulturwissenschaft, als Studierende an der Ausstellung beteiligt

"Mich hat gereizt, dass wir eine Ausstellung machen. Das habe ich nie zuvor gemacht. Das Kreative war wirklich der schönste Teil für mich und ich habe gelernt, dass man sich auch mit Themen auseinandersetzen muss, für die man sich persönlich nicht so interessiert. Im Nachhinein merkt man dann den Mehrwert: Die Angst vor dem Unbekanntem geht seitdem quasi gegen null.“

 

Maximilian Tremmel, Empirische Kulturwissenschaft, als Studierender an der Ausstellung beteiligt

"Wissenschaftskommunikation basiert auf Dialog: Ohne die kritische Auseinandersetzung um das Cyber Valley und KI in der Tübinger Stadtgesellschaft und darüber hinaus wäre diese Ausstellung eine andere geworden. Durch die Einbindung diverser Stimmen und Perspektiven sowie die Ausleuchtung unterschiedlicher Interessen konnte eine konstruktive Auseinandersetzung im Stadtmuseum geführt werden. Wichtig bleibt, den Diskursraum offen zu halten, das heißt auch dessen Ergebnis.“

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