Uni-Tübingen

Pflege

Die pflegerischen Erstausbildung auf Hochschulebene ist ein Zukunftsmodell für die akademische Pflegeausbildung und wird gemeinsam mit den Kooperationspartnern der Hochschule Esslingen und dem Universitätsklinikum Tübingen durchgeführt. Das Studium umfasst wissenschaftliche Erkenntnisse der Pflege- und Gesundheitswissenschaft, Medizin, Psychologie, Soziologie, Ethik, Rechtswissenschaft, Politik, Betriebswirtschaft und Ökologie. Die theoretischen Studienanteile gewährleisten zusammen mit den Praxisphasen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Pflegediensten eine theoretische fundierte Vorbereitung auf vielfältige pflegerische Aufgaben. Der Abschluss Bachelor of Science Pflege befähigt Absolventinnen und Absolventen eigenverantwortlich pflegebedürftige Personen aller Altersgruppen bei Erkrankung oder nach Unfällen professionell pflegerisch zu unterstützen und zu begleiten.

Angebote der Pflege

 

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hochschulreif. Der Tübinger Podcast zur Studienwahl

Folge #06: Pflege

Was unterscheidet ein Pflegestudium von einer Ausbildung? In welchen Bereichen arbeiten Absolventinnen und Absolventen? Und welche Chancen bietet die Akademisierung des Fachs? Über die Inhalte, Besonderheiten und Berufswege, die ein Pflegestudium eröffnet, sprechen wir mit Professorin Dr. Cornelia Mahler, Direktorin der Abteilung Pflegewissenschaft und Studiendekanin am Campus für Gesundheitswissenschaften Tübingen-Esslingen. Neben unserem Gast berichten auch wieder Tübinger Studierende über ihr Studium.

Podcast hören
Christoph Jäckle (C. J.): Herzlich Willkommen zu „hochschulreif“, dem Tübinger Podcast zur Studienwahl. Wir stellen Euch auch heute wieder ein Studienfach vor, damit ihr Euch bei eurer Studienwahl gut orientieren könnt. Wir, das sind meine Kollegin Alexandra Becker und ich, Christoph Jäckle. Hallo Alex!

Alexandra Becker (A. B.): Hallo Christoph!

C. J.: Heute haben wir uns Frau Professorin Dr. Cornelia Mahler ins Studio eingeladen. Frau Mahler, Sie sind die Studiendekanin des Studiengangs Pflege am Campus für Gesundheitswissenschaften Tübingen-Esslingen. Hallo Frau Mahler, schön, dass Sie zu uns gefunden haben.

Prof. Dr. Cornelia Mahler (C. M.): Hallo, danke für die Einladung. Hat mich sehr gefreut.

C. J.: Ich muss gestehen, ich wusste selbst bis vor kurzem noch gar nicht, dass man Pflege auch studieren kann. Für mich war Pflege bisher vor allem ein Ausbildungsberuf. Von daher bin ich auch persönlich sehr interessiert, was Sie uns heute alles aus Ihrem Alltag erzählen können, was wir von den Studierenden hören werden und was es dann letztlich mit dem Studium der Pflege im Unterschied zur Ausbildung auf sich hat. Zunächst hören wir uns mal an, warum sich Tübinger Studierende für das Pflegestudium hier entschieden haben.

Persönliche Motivation (1:06)

Studi 1: Mir war schon relativ früh klar, dass mir die Pflege sehr viel Spaß macht, habe dann ein paar Praktika gemacht, habe mit vielen Fachkräften geredet, die mir Tipps gegeben haben.

Studi 2: Ich habe erst relativ spät gemerkt, dass Pflege das ist, was ich später als Beruf machen möchte. Bei einem Sozialpraktikum hat mir die Arbeit mit den Menschen sehr viel Spaß gemacht.

Studi 3: Dann dachte ich mir, wenn ich jetzt schon zwei Jahre länger in der Schule saß, könnte ich ja auch einfach studieren und die tieferen Einblicke in jedem Bereich mitnehmen. Nicht bloß die Pflege, sondern auch das wissenschaftliche Arbeiten, was dahinter steckt.

Studi 4: Und zwar habe ich damals gesehen, als ich mich beworben habe, dass man sehr viel tiefer und sehr fachspezifisch in die Materie reingeht. Das hat mich damals sehr angesprochen, weil man nicht nur das Thema Pflege an sich behandelt, sondern man kann ein bisschen in die Medizin reinschnuppern, man kann in die Psychiatrie reinschnuppern.

A. B.: Frau Mahler, jetzt haben wir schon gehört, es ging um die Qualifikation und auch um inhaltliche Ausrichtung des Studiums. Wird das denn eingelöst, wie die Studierenden das berichtet haben?

C. M.: Ja, auf jeden Fall wird es eingelöst, wie es berichtet wird. Das Studium ist sehr praxisorientiert, aber auch sehr theorieorientiert. Also es findet ein großer Anteil an berufsqualifizierenden Aspekten statt, die sowohl in der Theorie wie auch in der Praxis stattfinden, sodass die Studierenden, wenn sie fertig sind, die staatliche Berufszulassung haben, um als Pflegefachmann/Pflegefachfrau, so heißt das jetzt seit 2000, einen Abschluss zu haben, wie auch einen akademischen Abschluss. Mit einem akademischen Abschluss geht man tiefer in die Materie rein, so wie es die Studierenden schon berichtet haben. Es freut mich, dass sie das wirklich so erleben und so sehen. Und auch das wissenschaftliche Arbeiten ist für uns ein wichtiger Aspekt. Denn wenn man eine Disziplin, einen Beruf weiterentwickeln will, dann braucht man auch wissenschaftliche Erkenntnisse, Forschungserkenntnisse aus dem Fachbereich.

A. B.: Und wenn man sich jetzt tatsächlich für ein Studium der Pflege entscheidet, was für Fragen sollte man sich vorher stellen oder sollte man für sich vorher klären?

C. M: Wichtig ist natürlich immer das Arbeiten mit Menschen. Tatsächlich darf ich niemand sein, der Angst hat auf Menschen zuzugehen oder eher zurückgezogen ist. Ich brauche eine gewisse Freude, mich mit Menschen in Verbindung zu setzen, denn Pflege ist ein Beruf, der sehr stark von der Beziehung abhängt. Die Beziehung, die ich zu allen möglichen Personen lerne aufzubauen, ob das ältere Menschen sind, ob das Kinder sind, ob das Angehörige sind oder Personen, die in anderen Gesundheitsfachberufen arbeiten. Denn wir arbeiten in einem Team. Auch das ist etwas, was wichtig ist, dass ich gerne im Team arbeite und ein Interesse habe, nicht nur an krankheitsbezogenen Aspekten, sondern an gesundheitswissenschaftlichen Aspekten. Was hält mich gesund? Was sind Aspekte, die wichtig sind, damit ich gesund bleibe? Und die aktuelle Situation zeigt uns ja, wie wichtig diese Aspekte sind.

A. B.: Für uns war das auch ein Teil der Motivation, weil das ein sehr aktuelles Thema ist, dass immer wieder über Pflege und die Bedingungen im Beruf Pflege diskutiert wird.

C. M.: Ja, das ist wichtig und richtig, was Sie sagen, über die Bedingungen wird gesprochen. Aber ich glaube, die Pandemie hat auch gezeigt, dass dieser Beruf ein sehr zukunftsträchtiger Beruf ist. Sie brauchen nie Angst haben, wenn Sie sich in diesem Beruf qualifizieren, dass Sie keinen Job kriegen werden. Sie werden auf jeden Fall einen Job kriegen, egal wo, egal in welchem Bereich. Pflege ist so ein vielfältiger Beruf. Ich glaube, das ist den meisten Leuten gar nicht bewusst, was alles dahintersteckt. Man hat so sein Bild im Kopf, Pflege im Krankenhaus, momentan noch in der Intensivpflege. Das sind die Bilder, die momentan sehr stark über die Medien transportiert werden, auch in den Altenpflegeheimen, wo ältere Menschen versorgt werden. Aber es gibt natürlich auch Kinder, Jugendliche, die betreut werden müssen. Das ist der eine Bereich. Aber es gibt vielfältige Arbeitsbereiche: Ob das im Gesundheitsamt ist, Prävention, gesundheitsfördernde Aspekte, die notwendig sind. In anderen Ländern sind Pflegende in Schulen, sogenannte Schoolnurses, tätig, um die Gesundheitskompetenz zu stärken. Das sind alles wichtige Bereiche, die vielen Personen einfach gar nicht bewusst sind, wo Pflege überall notwendig ist.

C. J.: Sie hatten ja vorher schon erwähnt, dass man mit dem Abschluss des Studiums sowohl den Abschluss Bachelor of Science als akademischen Grad erhält, aber gleichzeitig auch die staatliche Berufszulassung als Pflegefachfrau bzw. Pflegefachmann. Das wiederum vereint die Bereiche Kinderkrankenpflege, Altenpflege, Gesundheitspflege, was davor die einzelnen Ausbildungsberufe waren.

C. M.: Genau bis vor kurzem, also bis 2000, gab es die. Und da muss man sagen, wir sind das einzige Land weltweit, die sich drei Grundqualifikationen geleistet hat. In jedem anderen Land ist das eine einheitliche Qualifikation. Wir nennen das eine generalistische Ausbildung, wo Menschen aller Altersgruppen versorgt werden oder wo man lernt, Menschen aus allen Altersgruppen und in allen Settings zu versorgen. Also erst die Grundqualifikation und anschließend eine Spezifizierung und Fokussierung stattfindet. Das ist eines der großen Neuerungen seit 2020.

A. B.: Das haben wir auch recherchieren müssen, weil wir uns in der Vorbereitung natürlich gefragt haben, wie man das von den einzelnen Berufen oder Berufsbildern abgrenzen kann, die es vorher gab.

C. M.: Ich möchte an dieser Stelle erwähnen: Pflege ist ein Beruf, der sich auch ständig weiterentwickelt. Sie würden nicht erwarten, dass der Mediziner, der vor 50 Jahren sich entwickelt hat, dass der genau das Gleiche macht. So ist es auch in der Pflege. Auch wir, unsere Kompetenzen, müssen sich ständig weiterentwickeln, sind ständig mit komplexeren Situationen konfrontiert. Die Patienten unterlaufen sehr komplexe Behandlungen, die sehr differenziert sind. Da muss sich auch die Pflege darauf einstellen. Auch auf die Personen, die anschließend mit diesen chronischen Erkrankungen leben, ob das neue Herzklappen sind, ob das andere Verfahren sind im Bereich der Transplantation, sodass da eine Unterstützung im Alltag natürlich notwendig ist. Das ist eine zentrale pflegerische Aufgabe, diese Person in ihrem Alltag zu unterstützen.

A. B.: Sie haben schon einige Male angesprochen, dass es ein Berufsfeld ist, das ständig in der Veränderung ist. Wir haben uns gefragt, wie sind Sie in die Pflege kommen? Können Sie das einmal umreißen als Beispiel?

C. M.: Ja, sehr gerne. Also als Beispiel, ich habe Abitur gemacht vor vielen, vielen Jahren. Und mein Wunsch war seinerzeit, mit Menschen zu arbeiten, in einem sozialen Umfeld zu arbeiten. Aber ich wollte nicht Ärztin werden. Mir war relativ klar, dass ich da nicht nah genug am Menschen bin. Und als ich damals die Ausbildung zur Krankenschwester, wie es damals noch hieß, begonnen habe, haben insbesondere meine Eltern gesagt: „Was, du hast doch Abitur, du musst doch dann Medizin studieren!“ und ich sagte „Nein!“ Ich wollte das nicht. Es wurde nicht gesagt, wenn man Abi hat, dass man dann in die Pflege geht. Ich hatte das Glück, an einer Schule zu lernen, die eine Modellschule war, die nur Abiturienten genommen hat, und habe so meinen Weg letztendlich über die Ausbildung gemacht, habe anschließend zu einer Zeit, wo Teilzeitarbeit nicht möglich war und ich Kinder hatte, angefangen zu studieren. Damals gab es noch keine Pflegestudiengänge, sodass ich den normalen akademischen Weg der Uni gegangen bin, nach meiner Ausbildung und Berufserfahrung noch mal 5 Jahre studiert habe, um einen Masterstudiengang abzuschließen und bin über viele verschiedene Umwege, weil ich eigentlich immer die Pflege weiterentwickeln wollte, zu einer Lehrstuhlinhaberin einer neuen Abteilung geworden. Wenn mir jemand das vor 20 Jahren gesagt hätte, hätte ich gesagt, du spinnst! Ja, das gibt es hier in Deutschland? Ich hatte aber immer das Ausland vor Augen, wo schon seit vielen Jahren die Pflege ein akademischer Beruf ist, wo es ganz selbstverständlich ist, dass man diesen Beruf an einer Hochschule lernt, studiert, sowohl die Theorie und wie auch die Praxis absolviert. Sodass es für mich immer klar war: Es muss sich auch hier in Deutschland irgendwann mal weiterentwickeln. Deshalb bin ich sehr froh, dass es in Tübingen seit 2018 den Studiengang Pflege gibt, um damit ein Zeichen zu setzen, dass die Gesundheitsversorgung sich weiterentwickelt.

Studieninhalte (12:11)

A. B.: Dann lassen Sie uns doch tiefer einsteigen, wie die Ausbildung an der Uni heute aussieht. Wir haben vorab Studierende gefragt, wie ihre typische Studienwoche so aussieht. Hören wir da mal rein!

Studi 1: Eine typische Studienwoche bei mir ist relativ voll. Viel Selbststudium, auch viele Vorlesungen. Dann haben wir einmal in der Woche eine Gruppenanleitung, wo wir die Tätigkeiten, die wir später in der Pflege ausüben wollen, erlernen. Entweder an uns selber oder auch an Puppen. Da werden ganz praktische Dinge gelernt, wie beispielsweise die Körperpflege und Blutabnehmen zum Beispiel. Und einmal in der Woche einen Tag, an dem wir arbeiten sind.

Studi 2: Momentan sieht eine typische Studienwoche so aus, dass man drei Tage die Woche Vorlesungen hat und einen Tag Praxis. Dann hat man noch praktische Seminare, wo man die Theorie anwenden kann.

C. J.: Ja, es ist eine abwechslungsreiche Ausbildung bzw. Studium mit Vorlesungen und praktischen Anteilen. Aber kurz zusammengefasst, welches sind die Kerninhalte, die im Studium erlernt werden?

C. M.: Kerninhalte, da muss man tatsächlich Theorie und Praxis trennen. Praktisch, das haben die Studierenden schon gesagt, geht es viel darum, in der Praxis Fähigkeiten einzuüben, die einzelnen Schritte zu lernen. In der Theorie, so einen umfassenden Studiengang wie Pflege findet man selten, weil Sie sowohl medizinische Grundlagen, pädagogische Grundlagen, psychologische Grundlagen, aber auch pflegewissenschaftliche Grundlagen benötigen, um die Personen umfassend zu betreuen. Aus allen Bereichen bekommen sie theoretischen Input. Im ersten Teil vom Studium geht es um den gesunden Menschen. Denn erst wenn wir uns mit dem gesunden Menschen auseinandersetzen, wissen wir und können abschätzen, was es bedeutet, wenn man Einschränkungen hat oder beeinträchtigt ist an unterschiedlichen Stellen. Und dann im zweiten, dritten Semester sind ein großer Schwerpunkt die medizinischen Themen, die medizinischen Diagnosen und Therapien, gepaart mit dem, was man aus pflegerischer Perspektive macht. Und wenn medizinische Grundlagen vorhanden sind, geht es wesentlich stärker in eine pflegewissenschaftliche Orientierung, Auseinandersetzung mit den sogenannten Interventionen, mit den pflegerischen Maßnahmen, die man bei bestimmten Phänomenen anwenden kann.

C. J.: Wie ist ungefähr das Verhältnis von praktischen und theoretischen Anteilen im Studium?

C. M.: Vielleicht ein bisschen ungewöhnlich für ein Studium, da ein sehr hoher Praxisanteil vorhanden ist. Wir müssen natürlich all das absolvieren, was man in der Ausbildung macht, aber wir haben den theoretischen Teil erhöht, um auch dem Studium gerecht zu werden. Das Verhältnis von Theorie und Praxis entspricht etwa zwei zu eins, also zwei Teile Theorie zu einem Teil Praxis.

C. J.: Sie haben erwähnt, dass man im Bereich der Medizin inhaltlich mit dem wissenschaftlichen Teil zu tun hat. Wie eng sind die Berührungspunkte zum Medizinstudium? Sitzt man teilweise in gleichen Veranstaltungen?

C. M.: Leider noch nicht so viel, wie wir es gerne hätten. Die Berührungspunkte sind so, dass wir auf dem gleichen Campus sind. Wir sind an der medizinischen Fakultät und so sind enge Verbindungen zwischen den Studierenden da. Gerade hat sich die Fachschaft gegründet, sodass auch zwischen den unterschiedlichen Fachschaften eine enge Verbindung besteht. Wir fangen an mit einzelnen Vorlesungen, wo an der einen oder anderen Stelle Pflegende und Medizinstudierende gemeinsam lernen und lernen gemeinsam zu arbeiten. Das Thema interprofessionelles Arbeiten ist tatsächlich ein neuer Aspekt im Bereich der Gesundheitsversorgung, dass man zunehmend darauf Wert legt. Nicht erst, wenn man fertig und in einer beruflichen Tätigkeit ist, sondern sich schon zu einem frühen Zeitpunkt während der Ausbildung besser kennenlernt, weil wir häufig viel zu wenig von den anderen Gesundheitsberufen wissen.

A. B.: Und wenn ich mir vorstelle, jemand möchte eigentlich gern Medizin studieren, anders als es bei Ihnen war, möchte eigentlich in diesen Beruf und überlegt sich: „Dann mache ich erst mal eine Pflegestudium und bin damit inhaltlich schon relativ nah dran.“ Was würden Sie diesen Leuten raten?

C. M.: Die Frage ist, wieso sie dann ein Pflegestudium machen wollen. Was nicht geht ist, vom Pflegestudium ins Medizinstudium zu wechseln und sich dann gewisse Sachen anrechnen zu lassen. Das ist eine Überlegung für manche. Das funktioniert nicht, nur Pflege zu studieren, weil man nicht ins Medizinstudium reinkommt.

A. B.: Der Hinweis, Anrechnen lassen ist nicht möglich, ist ein wichtiger Hinweis!

C. M.: Unbedingt. Ich glaube, man muss einfach sehen, die Pflege wird zunehmend zu einem akademischen Beruf. Auch im Anschluss an ein Pflegestudium kann man noch Masterstudiengänge machen, sich akademisch weiterentwickeln, promovieren, sogar einen Lehrstuhl einnehmen. Wer weiß, was in den nächsten 20 Jahren noch möglich ist. Ich sehe um mich rum, dass an vielen Universitäten Abteilungen für Pflegewissenschaft entstehen. Es ist ein Bereich, der sich stark weiterentwickelt, sodass es da auch gute Möglichkeiten gibt weiter voranzukommen.

C. J.: Wenn wir auf den Tübinger Studiengang schauen, ist auch eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Studiengängen, dass man an zwei verschiedenen Standorten studiert, in Tübingen und in Esslingen. Warum ist das so?

C. M.: Tübingen und Esslingen haben sich zusammengeschlossen, um das Beste aus zwei Welten herzuholen. In Esslingen gibt es schon seit 20 Jahren Pflegestudiengänge, die sich allerdings eher auf weiterqualifizierende Studiengänge wie Pflegemanagement, Pflegepädagogik konzentriert haben. Erst jetzt mit der Möglichkeit, grundständig in der Pflege zu qualifizieren, war für Esslingen klar, dass sie brauchen eine medizinische Fakultät mit im Boot brauchen. Da haben wir das Beste aus beiden Welten dabei!

C. J.: Und vermutlich ist das auch im Studienalltag so organisiert, dass es machbar ist, da hin und her zu pendeln? Man ist einen Tag hier und einen Tag woanders?

C. M.: Auf jeden Fall ist es machbar. Die ersten Semester sind vorwiegend in Tübingen. Das heißt, dass mal ein Tag in Esslingen ist. Zum Ende des Studiums ist man mehr in Esslingen und hat einzelne Tage in Tübingen.

A. B.: Dann darf ich da noch mal nachfragen? Das heißt, jetzt sind die Studierenden schon an beiden Studienstandorten. Wenn man noch einen Master machen möchte, dann kann man das in Esslingen fortführen? In Tübingen haben wir ja aktuell nicht die Möglichkeit, noch einen Masterstudiengang in der Pflege draufzusetzen. Esslingen bietet das aber an, so wie ich das gehört habe?

C. M.: Genau, Esslingen bietet es an, auch in Kooperation mit uns. Der Studiengang ist zwar in Esslingen verortet, aber ich bin zum Teil in Esslingen als sogenannte Brückenprofessorin tätig. Wir arbeiten da eng zusammen. Nicht nur im Bachelor, auch zukünftig im Master.

A. B.: Das ist wieder ein ganz neuer Begriff, „Brückenprofessorin“ habe ich noch nicht gehört.

Persönliche Voraussetzungen (21:37)

C. J.: Da tut sich viel auf dem Gebiet der Lehre in der Pflege, definitiv! Ich würde sagen, wir hören mal rein, was die Tübinger Studierenden denn an ihrem Pflegestudium begeistert.

Studi 1: Mich begeistert am Studium Pflege der Umgang untereinander mit meinen Kommilitonen. Wir sind uns alle sehr nah. Aber auch, dass wir sehr tief in alles reinschauen können. Wir bekommen viel Medizinisches immer erklärt und das ist total spannend und vielfältig. Und natürlich der Umgang mit den Menschen und mit den Patienten.

Studi 2: Was mich persönlich so begeistert ist, dass es so praxisnah ist. Und ich glaube, das macht den Studiengang auch so besonders.

A. B.: Ja, wir hören das Thema Praxisnähe, man kennt sich untereinander, wurde hervorgehoben. Was sind aus Ihrer Sicht Voraussetzungen, die man als Studienanfänger/-anfängerin mitbringen sollte?

C. M.: Als Studienanfänger, klar Abi, als Person die Lust und die Freude, sich auf andere Situationen einzulassen, mit Menschen umzugehen. Wichtig ist, Dinge hinterfragen zu wollen, Dinge nicht immer so anzusehen: „So ist es heute so wird es immer sein.“ Sondern zu fragen, muss das immer so sein? Bestes Beispiel, was unser Pflegedirektor schon bei der ersten Begrüßung erzählt hat: Warum müssen eigentlich die Blumen abends immer raus gestellt werden? Er hatte noch in Erinnerung, dass er während seiner Ausbildung er immer abends die Blumen aus dem Zimmer rausstellen musste auf den Flur. Gibt es da eine Begründung? Machen wir Dinge, bloß weil man sie immer schon so gemacht hat? Ein gesundes, kritisches Hinterfragen an bestimmten Stellen ist etwas, was wirklich wichtig ist. Man muss auch ein bisschen… Frustrationstoleranz klingt da sehr negativ, aber man muss, schon manchmal…

C. J.: …wahrscheinlich auch ein robuster Mensch sein oder so eine Persönlichkeit? Pflege ist ja auch ein sehr fordernder Beruf.

C. M.: Ja, es ist ein sehr fordernder Beruf. Aber ich glaube auch, man kann das zu einem gewissen Grad lernen, wie man mit solchen Situationen umgeht. Da bieten wir unseren Studierenden die entsprechenden Lehrveranstaltung an, sowohl um das aus einer theoretischen Perspektive zu beleuchten, als auch um praktisch mit solchen Situationen umzugehen. Zum Beispiel im Rollenspiel – wir haben auch inzwischen ein Supervisionsangebot für unsere Studierenden, gerade weil sie immer wieder mit krisenhaften Situationen konfrontiert werden, da aber aufgefangen werden können. Es gibt nichts Schlimmeres als plötzlich alleine dazustehen, ohne zu wissen, was man machen soll.

C. J.: Würden Sie sagen, dass einer der Vorteile des Studiums im Vergleich zur Ausbildung ist, dass man noch mehr kritisch reflektiert, was ansonsten „nur“ erlernt wird für die Praxis?

C. M.: Unbedingt! Selbst das, was in Lehrbüchern steht! Einfach auch mal gucken, was in unterschiedlichen Lehrbüchern steht. Manchmal stehen da andere Dinge. Also Dinge, die man sieht, Abläufe, die man sieht, kritisch hinterfragen. Auf die Praxis bezogen: Wenn ich Kolleginnen und Kollegen sehe, wie sie bestimmte – ich spreche mal nur Hygiene an, weil das momentan ein Thema ist – hygienische Handlungen durchführen; diese noch mal zu hinterfragen: Ist das jetzt korrekt, so wie sie das macht? Oder warum macht die das anders? Welche Prinzipien stehen da dahinter? Um auch zu sagen: „Nein, so ist es richtig und ich mach's so wie es korrekt ist.“ Und spreche vielleicht auch die Kollegin drauf an oder frag sie: „Wieso machst du das so?“ Durchaus da mit einem kritischen Auge drauf schauen. Da höre ich auch aus der Praxis von unseren Kooperationspartnern, dass unsere Studierende anders fragen, Dinge hinterfragen, kritisch und neugierig sind auf viele Dinge, die erstaunen.

C. J.: Und ansonsten erstmal als gesetzt wahrgenommen werden würden?

A. B.: Man ist nah dran an der Forschung und an den Veränderungsprozessen. Dann frage ich mich, wenn man sagt, „okay, so ein Pflegestudium hört sich nach genau dem Richtigen an für mich“, wie gut stehen die Chancen auf den Studienplatz? Wie gut kommt man in den Studiengang rein?

C. M.: Wir haben hier in Tübingen-Esslingen 60 Studienplätze. Wir sind ein Studiengang, der im Aufbau ist. Daher kommt man momentan noch gut rein. Aber ich muss sagen, ich bin schon relativ gespannt, wie es nächstes Jahr wird. Wir sehen, es ist inzwischen durchaus attraktiv, Pflege zu studieren. Insbesondere natürlich, wenn man Abitur hat. Man hat anschließend andere Weiterqualifikationsmöglichkeiten, als wenn man eine Ausbildung macht.

Berufsperspektiven (27:38)

C. J.: Dann würde ich sagen, wir hören mal rein, wo sich Tübinger Studierende später beruflich sehen und sprechen dann darüber, welche Möglichkeiten einem offenstehen.

Studi 1: Ich möchte nach meinem Studium eventuell noch einen Masterstudiengang machen und ansonsten werde ich definitiv in der Pflege arbeiten. Mein Fokus liegt bei dem Studiengang auf der Ausbildung, die ich danach habe, meine abgeschlossene Ausbildung zur Pflegefachfrau.

Studi 2: Ich möchte tatsächlich nach meinem Studium gerne in der Pflege bleiben. Ich würde gerne noch eine Fachweiterbildung machen. Mich reizt das Thema Intensivpflege sehr, was ja aktuell auch ein sehr großes Thema ist. Aber ich muss sagen, dass das Studium natürlich auch viele andere Möglichkeiten bietet.

C. J.: Sie hatten es vorher schon erwähnt, das Studium und die Ausbildung sind eine generalistische Ausbildung. Eine Grundausbildung, mit der ich bewegt bin, bereits im Beruf Fuß zu fassen, zu arbeiten und mich aber auch fachlich weiterbilden kann. In welchen Spezialisierungen kann man sich weiterbilden? Vielleicht ein paar Ausblicke.

C. M.: Es gibt jetzt zunehmend Masterstudiengänge, die für die berufliche Praxis qualifizieren. Ob das im Bereich der Versorgung chronisch kranker Patienten ist, onkologische Patienten oder auch im Bereich Anästhesie und Intensivpflege. Momentan sind das noch vorwiegend Fachweiterbildungen, aber es wird zunehmend Masterstudiengänge in diesem Bereich geben. Die bauen sich auf, auch in der Primärversorgung, das nennt sich neudeutsch Community Health Nursing, um quasi erweiterte Rollen zu haben, um mit einem Hausarzt zusammen Patienten gemeinsam zu versorgen in der Häuslichkeit. Das ist der eine Bereich, wenn man klinisch-praktisch weiterdenkt, um in der Versorgung zu bleiben. Aber natürlich brauchen wir langfristig auch Personen, die sich in anderen Bereichen qualifizieren. Ob das Lehrende für die Studiengänge sind, Personen, die dort unterstützen oder Personen, die in der Praxis unsere Studierende begleiten, sogenannte Praxisanleiter. Das sind Pflegende mit einer zusätzlichen pflegepädagogischen Qualifikation, die diese praktischen Skills systematisch vermitteln können. Also Möglichkeiten ohne Ende!

C. J.: Wenn ich nach dem Studium erst in der klassischen klinischen Versorgung der Pflege arbeiten möchte, hat man da irgendwie Vor- oder Nachteile im Vergleich zu einer Person, die nur die Ausbildung gemacht hat, ohne Studium?

C. M.: Ich persönlich würde sagen, nur Vorteile. Meine Erfahrung ist, dass eine Person mit einem Studium sich deutlich schneller weiterentwickeln kann, entweder dass sie ihren Fachbereich weiterentwickeln, aber auch zunehmend eigenständige Aufgaben übertragen werden, wo ihre wissenschaftliche Qualifikation eine gute Grundlage ist, um Konzepte mit zu erarbeiten, um an der Entwicklung von neuen Konzepten, Verfahren beteiligt zu werden. Weiterentwicklung von Innovationen in der Gesundheitsversorgung, da werden diese Kompetenzen natürlich gebraucht. Wenn man ein bisschen out of the box denken kann, ein bisschen breiter. Neulich hat eine Studentin zu mir gesagt „Menschenskinder, das ist so klasse, wir kriegen hier so viel übers gesamte Gesundheitssystem vermittelt!“ Krankenpflege findet ja nicht nur im Krankenhaus statt, sondern im gesamten Gesundheitssystem. Da einen Überblick zu bekommen, was es überall für gesetzliche Grundlagen gibt, das ist schon sehr vielfältig.

A. B.: Jetzt muss man ja sagen, während einer dualen Berufsausbildung bekommt man eine Ausbildungsvergütung. Die Lage im Studium ist anders. Wie sieht es denn da aus?

C. M.: Also während des Studiums studiert man, da gibt es keine Ausbildungsvergütung. Es kann sein, dass einem die Kooperationseinrichtungen für die Praktika eine Aufwandsentschädigung bezahlen können. Aber das ist nicht gesetzt, dass es da etwas gibt. Wir haben momentan die glückliche Lage, dass es funktioniert. Aber das ist nichts, was gesetzlich vorgeschrieben ist wie bei den Hebammen. Bei den Hebammen ist es ins neue Hebammenreformgesetz mit aufgenommen worden, in der Pflege ist das nicht passiert. Ja, da hoffen wir darauf, dass sich das langfristig ändert. Die Politik weiß darum. Und wir haben jetzt eine neue Regierung. Mal gucken, ob sich da was tut.

A. B.: Inhaltlich haben wir die Vorteile im Studium herausgestellt. Es ist natürlich gut zu wissen, wie die finanziellen Bedingungen sind. Wie sieht das nach dem Studium aus? Stehen einem da bestimmte Türen offen mit einem Studium, die man in der Ausbildung nicht so leicht erreicht?

C. M.: Das ist auch ein sich entwickelnder Bereich. Natürlich stehen einem andere Wege offen. Wenn man in die Stellenanzeigen guckt, werden zunehmend Leute mit einem Studienabschluss gesucht. Insbesondere deshalb, wir wissen das aus Studien, weil da, wo Personen mit einem akademischen Abschluss in der Pflege eingestellt sind, die Qualität der Versorgung eine bessere ist. Dazu gibt es internationale Studien, die das festgestellt haben, sodass insbesondere die großen Kliniken, aber auch kleinere Kliniken, schauen, dass sie akademisch qualifiziertes Personal haben, das sie natürlich auch für konzeptionelle Arbeit, für Qualitätssicherung der Arbeit beauftragen können.

A. B.: Für die es dann auch mehr Geld gibt?

C. M.: Für die es dann auch mehr Geld gibt! Da entwickelt sich momentan tatsächlich tarifrechtlich einiges weiter. Ja, da tut sich was. Da muss sich was tun und da wird sich auch was tun. Das ist ganz klar!

C. J.: Klingt für mich auf jeden Fall so, als würde es sich definitiv lohnen, dieses Studium auch einer Ausbildung vorzuziehen, wenn man Lust hat auf Studieren. Wenn man sagt, ich bin der Praktiker, die Praktikerin, ich muss nicht sechs Semester lang Vorlesungen besuchen und sehr viel theoretisches Wissen lernen, das muss man in der Berufsschule mit Sicherheit auch! Aber ansonsten überwiegen, so klingt es für mich, die Vorteile, das Potenzial, das man danach im Beruf haben wird.

A. B.: Also wer Lust hat, an Veränderungsprozessen teilzuhaben, so klingt es ganz stark, ist im Studium gut aufgehoben.

C. M.: Unbedingt! Auch wieder ein Zitat einer Studentin von mir, die hat mal zu mir gesagt „Frau Mahler, also meine Cousine, die macht die ganz normale Ausbildung und ich verstehe das nicht. Wir haben immer total viel Lust in die Praxis zu gehen und wenn sie in die Praxis geht, da hat die gar keine Lust drauf.“ Das ist ein bisschen paradox, weil man immer sagt, die Leute aus dem Studium, die sind so verkopft, die wollen eigentlich gar nicht in die Praxis, die wissen gar nicht, wie das geht. Das Gegenteil ist der Fall! Die brennen darauf, ihre Kenntnisse und Fertigkeiten anzuwenden, weil sie eben Lernende sind und keine Arbeitenden. Ich glaube, das ist der große Unterschied zwischen Studium und Ausbildung. Das eine sind Lernende, die sich auch als lernende Studierende verstehen, klar während des Praktikums arbeiten sie. Aber diejenigen, die eine Ausbildung machen, die sind in einem Ausbildungsverhältnis mit einem Arbeitgeber. Und das ist das, wo ich immer denke, wir haben über das Studium deutlich mehr Freiheiten, das Studium zu gestalten.

C. J.: Und eine andere Haltung.

A. B.: Die Freiheiten im Studium, das glaube ich, ist eine sehr andere Bedingung als die vertragliche Bindung an einen bestimmten Arbeitgeber, eine Arbeitgeberin, die doch ein ganz anderes Setting mitgeben in diesem Lernprozess.

Insider-Tipps (37:35)

A. B: Ja, wir haben jetzt eine neue Kategorie zum Abschluss eingeführt. Frau Mahler, nämlich bitten wir unsere Gäste, ob sie Tipps haben zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Fach. Das können Stichworte zur Recherche sein, es kann ein Literaturtipp sein. Haben Sie da noch die eine oder andere Idee?

C. M.: Da geben Sie mir jetzt eine harte Nuss zu knacken. Ins Ausland zu schauen, kann ich einfach jedem empfehlen! Das englischsprachige Ausland auf jeden Fall, aber auch im europäischen Ausland. Ob das in Dänemark, in Schweden ist, in fast jedem Land ist es eigentlich normal, Pflege zu studieren und nicht eine Ausbildung zu machen. Über einen Berufsverband der Pflegeberufe gibt es auch viele Informationen, die die Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Bereich aufzeigen oder auch die Vielfältigkeit des Pflegeberufs.

A. B.: Haben Sie sonst noch was, was Sie den Hörerinnen und Hörer mit auf den Weg geben möchten?

C. M.: Einfach ein Ausspruch: Pflege ist ein krisensicherer Beruf!

A. B.: Gut, dann nehmen wir das doch so als Schlusswort. Vielen Dank, dass Sie heute unser Gast waren! An die Hörerinnen und Hörer da draußen: Wenn Ihr Anregungen oder auch Fragen habt, schreibt uns gerne unter hochschulreif@uni-tuebingen.de und ansonsten findet Ihr weitere Links und Infos in den Shownotes.

Shownotes

„hochschulreif“ spricht mit Prof. Dr. Cornelia Mahler über die folgenden Themen: 
01:06 Persönliche Motivation
12:11 Studieninhalte
21:37 Persönliche Voraussetzungen
27:38 Berufsperspektiven
37:35 Insider-Tipps

Zum Berufsverband für Pflegeberufe geht es hier: https://www.dbfk.de

Individuelle Unterstützung bei der Studienwahl findet ihr bei der Zentralen Studienberatung der Universität Tübingen. Infos zu allen Studiengängen an der Universität Tübingen gibt es im Verzeichnis der Studiengänge.

Bei Fragen, Anregungen oder Kritik schreibt uns an: hochschulreifspam prevention@uni-tuebingen.de


Weitere Informationen zum Studiengang: