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Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2024: Leute

Tropenmediziner und Experte für die Bekämpfung der Flussblindheit

Zum Tode von Professor Dr. Peter T. Soboslay ein Nachruf von Wolfgang Hoffmann

Am frühen Morgen des 18. Januar 2024 starb Professor Dr. rer. nat. Peter Soboslay plötzlich und unvermittelt, knapp eine Woche vor seinem 68. Geburtstag. Peter Soboslay übte bis zuletzt voller Eifer und Elan seine berufliche Tätigkeit als Forscher und Hochschullehrer am Institut für Tropenmedizin aus und war erst drei Tage zuvor von einer Dienstreise aus Togo zurückgekehrt. Er hatte sogar schon seinen nächsten Aufenthalt in Afrika für den kommenden April geplant.

Peter Theodor Soboslay wurde 1956 in der ehemaligen Tschechoslowakei geboren, hatte dort die Grundschule besucht und siedelte 1967 mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland um. Nach Besuch der Realschule und Wechsel auf ein Technisches Gymnasium in Schwäbisch Hall legte er 1976 sein Abitur ab. An der Universität in Tübingen begann er 1977 ein Lehramtsstudium in den Fächern Biologie und Sport, das er 1984 erfolgreich mit dem Staatsexamen beendete.  

Seine Examensarbeit führte ihn schon damals in jenes Wissenschaftsterrain, das er bis zu seinem Lebensende erfolgreich in zahlreichen Facetten erkundet und mitgestaltet hat: die Parasitologie, dort vor allem die Filarien, parasitisch lebende Nematoden, die in acht Arten auch als Krankheitserreger des Menschen auftreten. Seine Examensarbeit wurde von Professor Dr. Hartwig Schulz-Key und Professor Dr. Peter Wenk betreut. Vor allem Prof. Schulz-Key blieb von da an der zeitlebens freundschaftlich verbundene, manchmal auch konstruktiv kritische Mentor von Peter Soboslay. Schulz-Key hatte in Togo eine Kooperation mit dem Nationalen Hygiene-Institut in Lomé aufgebaut und dort erfolgreich parasitologische Grundlagenforschung etabliert sowie klinische Studien zum damals neu eingeführten Anthelminthikum Ivermectin durchgeführt. Dieses Medikament wird seit 1987 in Massenbehandlungen gegen die Onchozerkose (Flussblindheit) vor allem im tropischen Afrika, im Jemen und in Teilen Mittel- und Südamerikas eingesetzt. Seine Dissertation, betreut von Bruce Greene, Cleveland, Ohio und von Prof. Schulz-Key und Prof. Wenk, absolvierte Peter Soboslay in mehreren Aufenthalten in Liberia an experimentell mit Onchocerca volvulus infizierten Schimpansen. Seit 1989 untersuchte Peter Soboslay dann vor allem am Regionalkrankenhaus in Sokodé, Togo, den Immunstatus von Ivermectin-behandelten Patienten; dabei interessierte ihn vor allem die Frage, warum dieses Medikament so lange die Mikrofilaridermie – also das Vorhandensein der krank machenden Larvenstadien der Nematoden (Mikrofilarien) in der Haut – unterdrückt.  

Dafür wurde das Konzept der „Ivermectin-facilitated Immunity“ entwickelt und die „immunity“ der Patienten, welche die adulten Filarien trotz Behandlung weiter in sich trugen, in zahlreichen Follow-up-Studien teilweise 35 Jahre lang von ihm verfolgt und die Ergebnisse publiziert. Seiner Fachkompetenz und Expertise war es auch zu verdanken, dass er zusammen mit Professor Dr. Richard Lucius und Prof. Schulz-Key das Kapitel „Filariosen“ zu einer von der DFG aufgeforderten Buchpublikation beitragen konnte.

Seine Forschungs- und Lehrtätigkeit führten schließlich zur Habilitation und wenige Jahre später zur Anerkennung als außerplanmäßiger Professor für Parasitologie und Immunologie. Seinem Engagement für die regelmäßigen Massenbehandlungen der betroffenen Bevölkerung mit Ivermectin, verbunden mit der entomologisch-parasitologischen Überwachung der Überträgerpopulationen (Kriebelmücken) mittels PCR, ist es zu verdanken, dass es in Togo „die Blinden am Fluss nicht mehr geben wird“, wie der Titel eines von ihm mit verfassten Artikels in der Deutschen Ärztezeitung lautet. Peter Soboslay untersuchte aber auch andere parasitäre Erkrankungen wie Malaria, Schistosomiasis, Amöbiasis und generell parasitäre Koinfektionen, v.a. hinsichtlich ihrer immunologischen Manifestation.  

Auch die immunologische Beeinflussung von Kindern parasitär erkrankter Mütter in endemischen Gebieten war ein Schwerpunkt seiner Forschung, schon zu einem Zeitpunkt als dieses Thema noch nicht en vogue und deshalb kaum erforscht war. Dafür baute er eine sehr gute Kooperation zur Abteilung für Immunologie von Professor Dr. H. G. Rammensee und Professor Dr. Stefanoviç, Tübingen, auf.  Neben der Feldforschung – ein Begriff, den er in selbstironischer Betrachtung durchaus positiv ausgestalten wollte und konnte – publizierte Peter Soboslay auch verschiedene Resultate zur immunologischen Prognose von Patienten, die mit den Larvenstadien des Fuchsbandwurms infiziert waren. Dies geschah in enger Zusammenarbeit mit der Abteilung von Professor Dr. Peter Kern und Professorin Dr. Beate Grüner in Ulm.

Äußerst gewissenhaft versah er auch bis zuletzt seine Aufgabe als Beauftragter für den Infektionsschutz und die Biologische Sicherheit unseres Instituts. So hatte er an seinem Todestag eigentlich vorgehabt, die gesetzlich vorgeschriebene Instruktion von neuen Institutsmitarbeitenden durchzuführen.

Aus einfachen elterlichen Verhältnissen kommend, verlor Peter Soboslay früh seinen Vater, hatte sich dann aber stetig durch Bildung, Fleiß und Zielstrebigkeit einen anerkannten Platz in seinem Wissenschaftsgebiet erkämpft. Dies zeigt die mehrfache Berufung als Gutachter für die Beurteilung von Forschungsanträgen innerhalb der Europäischen Union. Er selbst war mit seiner Arbeitsgruppe 15 Jahre lang leitender Partner von EU-geförderten  Forschungsprojekten mit Kollegen und Kolleginnen aus Togo, Ghana, Kamerun, UK, Frankreich und Deutschland. Finanzielle Unterstützung, vor allem für seine Tätigkeit in Togo, erhielt er auch von deutschen Förderinstitutionen, wenngleich er sich manchmal darüber beklagte, dass sein jahrzehntelanges Engagement für die Arbeit mit afrikanischen Partnern nicht so gewürdigt wurde, wie es seinen Erwartungen entsprochen hätte.

Wichtig war ihm neben der forschenden Tätigkeit auch die Ausbildung von Studierenden, die er in zahlreichen von ihm mit konzipierten Lehrveranstaltungen mit den spannenden Themenfeldern der Parasitologie und Immunologie bekannt machte und etliche davon auch für Abschlussarbeiten bis hin zur Promotion begeistern konnte. Aus diesem Kreis gelangten zwei ehemalige Studierende zu Professuren in Göttingen (Prof. Carsten Lüder) und Belo Horizonte, Brasilien (Prof. Stefan Geiger). In Anerkennung für seine Lehrtätigkeit wurde ihm 2017 der Lehrpreis der Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen verliehen.

Wir haben mit Peter Soboslay einen stets hilfsbereiten, loyalen Kollegen, Freund sowie anerkannten Wissenschaftler und geschätzten Hochschullehrer verloren. Dies bekundeten anlässlich seiner Beisetzung Ende Januar zahlreiche ehemalige Weggefährten, Freunde, Kollegen und Kolleginnen, die teilweise aus dem Ausland angereist kamen. Sie alle trauern mit den Angehörigen von Peter Soboslay über diesen großen Verlust.