Forschungskolloquium

Mittwochs, 18 c.t. Seminarraum 165, Schloss Hohentübingen

09.05.2018 Dr. des. Mariachiara Franceschini (Zürich)

Kleider machen Griechen. Erfolg und Standardisierung der Mantelfiguren

Reflektiert man die bisherige communis opinio zu den namenlosen männlichen Himationsträgern, den Mantelfiguren, so wird ihre Wahrnehmung von den späteren Bildern, in denen diese Figuren scheinbar isoliert nur auf einer Seite der Vase auftauchen, dominiert. Diese Darstellungen lassen sich nur schwer in semantische Kategorien einordnen, sodass ihre kommunikative und inhaltliche Bedeutung unterschätzt wurde. Die ausführliche Untersuchung der Mantelfiguren in ihrer diachronen, bildlichen und semantischen Entwicklung zeigt jedoch, dass eines der häufigsten Motive der attisch-rotfigurigen Vasenproduktion in Wirklichkeit nicht nur ein komplexeres und relevanteres Element der antiken Bildsprache war, als bisher vermutet, sondern geradezu paradigmatisch ein interpretatives Schlüsselmoment im Verhältnis zwischen Produzent, Betrachter, Objekt und Bildwelt darstellt.

16.05.2018 Prof. Dr. Barbara Borg (Exeter)

Familientradition und Bestattungsbrauch: zur langfristigen Nutzung römischer Gräber

Seit den Publikationen der Rechtshistoriker De Fisscher und Kaser und den einschlägigen statistischen Untersuchungen von Saller und Shaw ist die Ansicht weit verbreitet, dass die Rolle der Familie in der Gesellschaft, aber insbesondere in funerären Zusammenhängen, seit Beginn der Kaiserzeit rapide abgenommen habe. Demgegenüber möchte ich zeigen, dass diese Annahmen auf falschen methodischen Voraussetzungen und einer ungenügenden Kenntnis der archäologischen Quellen beruhen. Entgegen gängiger Meinung diente den römischen Eliten das Familiengrab als eigentlicher Fokus der Zurschaustellung einer langen und ehrwürdigen Familientradition, nachdem in den Atrien die Ahnenbilder außer Gebrauch gekommen waren. Mehr noch, dieses generelle Ziel bestimmte auch die Gründung und den langfristigen Gebrauch vieler Gräber der Freigelassenenschicht. Da sie jedoch keine legalen Vorfahren besaßen, ersetzten sie diese oftmals durch ihre Patrone, während für fehlende leibliche Nachkommen ihre Freigelassenen eintreten mussten, ohne dass das generelle Prinzip dadurch außer Kraft gesetzt worden wäre.

30.05.2018 Dr. Thomas Maurer (Regensburg)

Archäologische Forschungen zur hellenistisch-römischen Stadt Zgërdhesh (Albanopolis?) in Albanien

Seit 2017 läuft ein an der Goethe-Universität Frankfurt/M. angesiedeltes siedlungsarchäologisches Projekt zu der antiken Stadt bei Zgërdhesh und ihrem Umfeld. Die von der Forschung bisher wenig beachtete Ruinenstätte liegt in beherrschender Position oberhalb einer fruchtbaren Ebene am Westrand des albanischen Berglandes, im Hinterland von Dyrrhachium/Durrës. Nach einer weit verbreiteten Auffassung soll sie mit dem in der Geographie des Ptolemaios genannten Albanopolis zu identifizieren sein. Im Rahmen des Projektes wurden bereits 2017 geophysikalische Prospektionen im Vorfeld der Stadt und Reinigungsarbeiten durchgeführt. Begonnen wurde mit der Erstellung eines Gesamtplans. Die Frühjahrskampagne 2018 stand ganz im Zeichen erster Grabungen in ausgewählten Teilbereichen der Stadtanlage. Im Fokus der Fragestellung lag dabei die Entwicklung der hellenistischen Stadt in der römischen Kaiserzeit. Untersucht wurden u.a. Ausschnitte einer kleinen, intra muros gelegenen Nekropole des 3./4. Jahrhunderts n. Chr. mit teils überraschend reich ausgestatteten Gräbern sowie ein monumentaler Rundbau vor den Toren der Stadt.

06.06.2018 Dr. Andreas Hensen (Heidelberg/Ladenburg)

LOPODUNUM - aktuelle Forschungen zur römischen Metropole am unteren Neckar

Im Gebiet der Altstadt von Ladenburg am Neckar liegen die Reste eines Kastellvicus, der in der Zeit des Kaisers Trajan zum Hauptort der CIVITA ULPIA SUEBORUM NICRENSIUM erhoben wurde. Der Vortrag soll einen Überblick zum aktuellen Forschungsstand bieten, der archäologische, inschriftliche und literarische Quellen gleichermaßen in den Blick nimmt. Schwerpunkte bilden dabei zwei jüngst (neu-) untersuchte Komplexe, zu denen in den vergangenen Jahren zwei filmische 3 D-Visualisierungen erstellt werden konnten: Die Forum-Basilika-Anlage und der spätantike Burgus.

13.06.2018 Prof. Dr. Stepahnie Böhm (Würzburg)

Griechische Tiergefäße und ihre Symbolik. Zur Deutung der korinthischen Figurenvasen

Der Vortrag behandelt die figürlichen Salbölgefäße in Form von Tieren, die in Korinth von der Mitte des 7. bis ins mittlere 6. Jh. v. Chr. hergestellt wurden. Im Vordergrund steht die Deutung der Motive: Die Tiere haben zeichenhaften Charakter und erweisen sich als Teil eines komplexen Symbolsystems, das nur vor dem Hintergrund der archaischen Werte- und Gesellschaftsordnung zu verstehen ist.

20.06.2018 Prof. Dr. Adrian Stähli (Harvard)

Letzter Blick: Achill und Penthesilea

Achills Zweikampf mit Penthesilea, der mit ihrem Tod endet und so die Schlacht zwischen Achäern und Amazonen entscheidet, ist nicht nur ein ausgesprochen häufig, sondern auch relativ früh belegtes Thema antiker Bildmedien. Weniger deutlich zu fassen ist hingegen, wann zum ersten Mal die Liebe, die im Augenblick der Tötung Penthesileas Besitz von Achill ergreift, zu einem Bildthema wurde. Der Vortrag will dazu einen neuen Vorschlag anbieten.

27.06.2018 Dr. Alexander Heinemann (Tübingen)

Die Statuengruppe der Flüsse Nil und Tiber aus dem Iseum Campense. Mythos, Vorsehung und römischer Reichsgedanke an einem Denkmal flavischer Zeit

In den 80er Jahren n. Chr. baute Kaiser Domitian das Isis-Heiligtum auf dem Marsfeld in Rom zur prunkvollsten Kultstätte ägyptischer Gottheiten außerhalb des Nillandes aus. Zur reichen Ausstattung des Komplexes zählten zwei kolossale, aufeinander bezogene Statuen, die Flüsse Nil und Tiber darstellend. Wenige Jahre nach der Laokoon-Gruppe gefunden, läßt sich die gut erhaltene Statuengruppe auch dank einer ungewöhnlich günstigen, aber bislang nicht voll ausgeschöpften Quellenlage als wichtiges Zeugnis für die imperiale Repräsentationskultur ihrer Epoche verstehen.

04.07.2018 Prof. Dr. Dirk Steuernagel - Stefan Langer, M. A. (Regensburg)

Neue Forschungen zum sog. Staatsmarkt in Ephesos

Die Obere Agora, der sog. Staatsmarkt von Ephesos ist einer der wichtigsten öffentlichen Platzanlagen der hellenistischen und römischen Stadt. Obwohl bereits durch Grabungen der 1960er Jahren zu großen Teilen freigelegt, blieben doch viele Fragen, insbesondere zur relativen und absoluten Datierung der baulichen Gestaltung offen. Diesen wird seit 2014 in einem Kooperationsprojekt von Uni Regensburg, TU Berlin und Österreichischem Archäologischen Institut nachgegangen. Der Vortrag präsentiert erste Ergebnisse.

11.07.2018 Dr. Polly Lohmann (Heidelberg)

Zwischen unbedachtem Geschmiere und (selbst)bewusstem Ornament: Die pompejanischen Graffiti in ihrem sozialen und räumlichen Kontext

Als stupides Gekritzel von Sklaven und Kindern abgetan, haben antike Graffiti forschungsgeschichtlich lange ein Schattendasein gefristet. Ihre Abwertung gegenüber anderen Inschriftenformen hängt nicht zuletzt mit ihrem modernen Namenspendant zusammen: Der Begriff Graffiti wird, in Analogie zu moderner Streetart, häufig mit den Pauschalurteilen "illegal" und "störend" belegt. Die Analyse sämtlicher im Stadtgebiet - und auch innerhalb der Wohnhäuser - Pompejis entdeckten Graffiti vermag jedoch Anderes zu zeigen. In dem Vortrag sollen zunächst einmal der epigrafische Befund vorgestellt und die daran geknüpften methodischen Probleme thematisiert werden, um anschließend das Graffitischreiben als soziokulturelles Phänomen betrachten zu können. Dabei wird es sowohl um die Interaktionen von Schreibern und Adressaten als auch von Graffiti mit dem sie umgebenden Raum und mit anderen antiken Text- und Bildmedien gehen.