Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2010: Leute
Interreligiöser Dialog im Zeitalter des Relativismus
Lucas-Preis 2010 für Peter L. Berger
Der amerikanische Soziologe Peter L. Berger ist Träger des Dr. Leopold-Lucas-Gedächtnis-Preises 2010. Er wurde ausgezeichnet unter anderem für seine Verdienste um die moderne Religions- und Wissenssoziologie sowie für sein wissenschaftliches und persönliches Bemühen "um ein Zusammenleben der Kulturen und Religionen im Horizont der Globalisierung…" – so die Laudatio von Professor Dr. Friedrich Schweitzer, Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen.
In seiner Preisrede analysierte der 81-jährige Berger die Möglichkeiten des Dialogs zwischen religiösen Traditionen in der heutigen globalisierten und von Relativierung geprägten Welt. Die beste Form dieses Dialogs ist für den in Wien geborenen Soziologen der Dialog mit dem Ziel, den eigenen Wahrheitsbegriff zu erweitern. Berger bezeichnet diese Form als "dialogic engagement". Er ging auch ein auf die Bedingungen für einen fruchtbaren interreligiösen Dialog. Eine Bedingung ist für ihn das Akzeptieren der Möglichkeit, dass dieser Dialog die eigenen Ansichten verändern kann, im Ausnahmefall sogar zu einer Konversion führen kann. Eine andere Bedingung sieht der Lucas-Preisträger darin, in dem Dialogpartner keinen Feind zu sehen, den Angehörigen einer anderen Religion als "einen von uns", als Teil der Gemeinschaft zu akzeptieren und sich nicht bewusst von ihm abzugrenzen.
Zu Beginn seiner Rede nahm Peter L. Berger Bezug auf sein aktuelles Buch "Lob des Zweifels: Was ein überzeugender Glaube braucht". Berger ist der Meinung, dass die Modernität nicht säkularisiert, sondern relativiert und pluralisiert. Die Suche vieler Menschen nach einer eindeutigen kohärenten Theorie für ihr Leben biete praktisch nur zwei Möglichkeiten: den Relativismus und damit verbunden die Einsicht, dass es keine religiöse Wahrheit gibt; oder den Fundamentalismus, der eine absolute Wahrheit verspreche und diese zur Not auch mit Gewalt etablieren möchte. Gemeinsam sei beiden die Furcht vor Ungewissheit und der Bürde, Entscheidungen für sich persönlich zu treffen. Für Berger sind Fundamentalismus und Relativismus jedoch beide schädlich für die Gesellschaft, deswegen brauche es einen Mittelweg: die Möglichkeit, einen Glauben und Überzeugungen zu haben und doch gleichzeitig auch zweifeln zu können – getreu dem Hesse-Zitat "wo nie gezweifelt wird, da wird auch nicht richtig geglaubt." In diesem Mittelweg sieht Peter L. Berger die Grundlage für den interreligiösen Dialog.
Maximilian von Platen
Dr. Leopold-Lucas-Gedächtnispreis
Internetseite Dr. Leopold-Lucas-Gedächtnispreis Beitrag des Uniradios zum Lucas-Preis 2010 (mp3) Portrait Peter L. Berger (Uniradio, mp3) |
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