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27.07.2023

Perfekt erhaltenes Schildkröten-Fossil ermöglicht Rückschlüsse auf Lebensraum vor 150 Millionen Jahren

Forscherteam der Universität Tübingen beschreibt Meeresschildkröte aus dem Oberjura – über Süddeutschland erstreckte sich damals tropisches Archipel

Perfekt erhaltenes Schildkrötenfossil von Solnhofia parsonsi, ca. 150 Millionen Jahre alt. 

Ein perfekt erhaltenes Schildkröten-Fossil aus Niederbayern erlaubt Rückschlüsse über den Körperbau der Tierart und ihren Lebensraum in Süddeutschland vor 150 Millionen Jahren. Die Vorder- und Hintergliedmaßen von Solnhofia parsonsi sind vergleichsweise kurz und legen nahe, dass die Schildkröte in Küstennähe lebte. Heutige Meeresschildkröten haben dagegen extrem in die Länge gezogene Flossen und leben im offenen Meer.

„Es konnte vorher noch nie ein Solnhofia-Individuum beschrieben werden, bei dem die Extremitäten so vollständig erhalten sind“, sagt Felix Augustin von der Arbeitsgruppe für Biogeologie der Universität Tübingen, der den Fund nun im Fachmagazin PLOS ONE veröffentlicht hat. Auch Panzer und Kopf von Solnhofia parsonsi sind sehr gut zu erkennen. Die Schnauze läuft lang und spitz zu, der Kopf ist dreieckig und misst mit etwas über 9 Zentimetern fast die halbe Länge des Panzers. „Solnhofia hat vielleicht ihren großen Kopf und Schnabel zum Zerkleinern harter Nahrung wie zum Beispiel wirbelloser Tiere mit Schalen benutzt. Aber das bedeutet nicht, dass sie sich ausschließlich davon ernährte“, erklärt Márton Rabi von der Universität Tübingen und Co-Autor der Studie.  

Der Gattungsname Solnhofia bezieht sich auf den Plattenkalk von Solnhofen. Der gleichnamige Ort liegt südlich von Nürnberg im Altmühltal. Dort wurden auch Versteinerungen des weltberühmten Urvogels Archaeopteryx und von vielen Flug- und Meeressaurier gefunden. Die für Fossilienfunde ergiebige Schichten des Solnhofener Plattenkalks verlaufen entlang des gesamten Altmühltals. Das Schildkröten-Fossil Solnhofia parsonsi wurde in einem Steinbruch in Painten gefunden, in dem erst seit etwa 20 Jahren systematisch nach Fossilien gegraben wird.

„Die sehr gute Erhaltung der Fossilien aus den Plattenkalken ist durch die damaligen Umweltbedingungen zu erklären“, sagt Andreas Matzke von der Universität Tübingen und Mitautor der Studie. Vor 150 Millionen Jahren lag Süddeutschland in einem flachen und tropischen Meer mit vielen Inseln und Riffen, die Becken vom offenen Meer abgrenzten. Auf den Beckenböden lagerten sich Schwebeteilchen ab und bildeten Schichten aus Plattenkalk. Verendete ein Tier, sanken seine Überreste ebenfalls zu Boden. Durch den geringen Austausch der Wassermassen mit dem offenen Meer war der Sauerstoffgehalt dort so gering und der Salzgehalt so hoch, dass tote Pflanzen und Tiere nicht verwesten. Die pflanzlichen und tierischen Überreste blieben konserviert und versteinerten in der Plattenkalk-Schicht – oft in einzigartigem Detailreichtum. 

Die Region gilt deshalb als einer der weltweit wichtigsten Fundorte für Fossilien aus dem Erdmittelalter, das vor etwa 250 Millionen Jahren begann und bis zum großen Aussterben der Dinosaurier vor 66 Millionen Jahre andauerte. 

Das Schildkröten-Fossil Solnhofia parsonsi unterstreicht die Bedeutung der relativ neu entdeckten Fundstelle Painten. Die dort gefundenen Wirbeltierfossilien aus dem Plattenkalk werden nun nach und nach wissenschaftlich untersucht. Das Dinosauriermuseum in Denkendorf stellt die Funde aus. Auch Solnhofia parsonsi kann dort bewundert werden. 

Originalpublikation: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0287936

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